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Schreiben, Schriftstellern
im Breisgau und Hochschwarzwald
 

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Blick vom Batzenberg nach Osten über Pfaffenweiler am 10.11.2006
Blick vom Batzenberg nach Osten über Pfaffenweiler am 10.11.2006

 

Spitze Vertreter: Niklas Arnegger - meisterlicher Jongleur der deutschen Sprache

Zu: "Belohnung für die Spitzenleute", Unterm Strich von Niklas Arnegger (Politik, 20. Mai):
http://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/sexparty-in-budapest-belohnung-fuer-die-spitzenleute--45511093.html

Na, so etwas! Da haben sich die "Besten der Besten" vom Ergo-Versicherungsvorstand doch tatsächlich in den ungarischen Gellert-Thermen ausschweifenden Vergnügungen hingeben dürfen: auf Betriebskosten, sozusagen; richtiger wohl: auf Kosten der Versicherungsnehmer. In der BZ setzte Niklas Arnegger "Unterm Strich" diese "Auf-dem-Strich-Vorkommnisse" in kritisches Licht. Dabei erwies er sich als meisterlicher Jongleur mit den orthographischen Gegebenheiten der deutschen Sprache. Durch geschicktes Wortspiel mutierten die "Spitzenvertreter" der Vorstände zu "spitzen Vertretern" ihrer Branche. Auf einen solch witzigen Einfall muss jemand erst mal kommen: köstlich!  
26.5.2011, Ludwig Loerwald, Mahlberg

 

Tagebucharchiv Emmendingen: Gründerin Frauke von Troschke

Thomas Mann tat es — und natürlich Anne Frank. Aber nicht nur bekannte Persönlichkeiten führ(t)en Tagebücher. Das weiß niemand besser als die 90 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Deutschen Tagebucharchivs in Emmendingen. Sie erhalten, lesen und katalogisieren täglich autobiografische Zeugnisse und machen sie Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich. In den nächsten Wochen stellt das Archiv zusammen mit der BZ Passagen aus Tagebüchern unterschiedlicher Epochen vor. Zum Einstieg in die Serie unterhielt sich Heidi Ossenberg mit der Archivgründerin Frauke von Troschke.

BZ: Das Archiv in Emmendingen gibt es seit zehn Jahren. Wie viele Dokumente haben Sie bislang gesammelt?
Frauke von Troschke: Auf dem schönen Speicher dieses alten, würdigen Rathauses stehen 16 Schränke in denen die Originale ruhen. Das sind über 6000 Dokumente — Tagebücher, Erinnerungen, Briefwechsel, Haus- und Hofbücher — von etwa 1600 Autorinnen und Autoren.
BZ:
Das Tagebuch eines anderen Menschen zu lesen, ist ein Tabubruch. Warum tun Sie es trotzdem?
v. Troschke: Es geht uns um die Zeitgeschichte. Der Name kann wegfallen. Es geht uns darum: Was haben Sie in dieser Zeit erlebt, was hat Sie bewegt, was haben Sie gedacht? Um daraus auch Schlüsse zu ziehen, für die Wissenschaft, für die Geschichte, die Psychologie, die Soziologie; es gibt eigentlich keine Disziplin, die nicht daran interessiert ist, mit diesen Dokumenten zu arbeiten. Jedes Dokument, das hier eintrifft, ist wie ein Puzzleteil. Und ganz viele Puzzleteile ergeben ein Bild. Das doch recht aussagekräftig ist.
BZ: Junge Menschen schreiben über sich und ihr Erleben heute vielleicht in einem Blog — aber in ein Schreibheft? Was soll heute noch die Faszination sein, ein traditionelles Tagebuch zu schreiben?
v. Troschke: Das fragen wir auch, warum schreiben Sie? Es gibt Menschen, die haben einen Partner, wollen aber über das, was sie bewegt, nicht mit ihm oder ihr sprechen. Entweder weil sie Angst haben, dass andere Menschen damit nichts anfangen können. Dass eine Antwort sie eher verletzt oder es keinen Sinn macht, darüber zu reden. Und die vertrauen sich deshalb diesem Tagebuch an, es wird quasi zu ihrem Gesprächspartner. Oft wird das Tagebuch auch benannt: "Mein liebes Tagebuch" — und so wird dann Zwiesprache gehalten. Mit dem Aufschreiben merken sie — und wir haben Leute, die haben bis zu 60 Jahre lang geschrieben — , wie sie sich entlasten, wie sie die Dinge reflektieren, und so auch eine Lösung finden für schwierige Situationen. Die Menschen schreiben ja meist, wenn es ihnen nicht gut geht — nicht, wenn sie sehr glücklich sind. Es ist ja auch eine Form der Therapie. Viele Leute kommen persönlich hierher, niemand trennt sich so ganz leicht von seinem Tagebuch. Aber ich spüre da auch ein persönliches Sendungsbewusstsein. Bei manchen habe ich das Gefühl, die wollen sagen: "Ich bin da durch gekommen. Es waren so unglaubliche Zeiten, aber es ging weiter." Hoffnung machen, was auch sehr schön ist. Da ist wenig Selbstbeweihräucherung — bei Männern in den Memoiren vielleicht ein bisschen mehr. (schmunzelt)
BZ: In Deutschland ist Ihr Archiv einzigartig, aber Sie haben Partnerarchive in Europa. Gibt es das Bestreben, auch eine europäische Geschichte zu beschreiben?
v. Troschke: Das hoffen wir sehr, das ist aber ein sehr großes Projekt. Die Idee für das Tagebucharchiv kommt ja aus Italien. Da ist das älteste Archiv, in der Nähe von Arezzo. Der Gründer, Saverio Tutino, hat einen Freund, einen französischen Professor angeregt, das französische Archiv zu gründen. Und wir kamen danach. Das Interessante ist, dass wir kompatibel sind. Das heißt, wir haben die gleiche Art der Erfassung, Verschlagwortung — in Anlehnung an ein Bibliotheksprogramm. Das ist eine tolle Möglichkeit, europäische Alltagsgeschichte zu untersuchen. Überlegen Sie mal: Die ganzen Kriegsereignisse, was haben die Menschen vorher gedacht, hinterher gedacht, mittendrin, was hat sie bewegt? Das wird Historiker interessieren, aber natürlich auch in die Schulen müsste das hineingetragen werden.
BZ: Das Archiv gibt es seit zehn Jahren. Was ist Ihre Vision?
v. Troschke: Die Wunschvorstellung ist, dass wir ein ganz lebendiges Archiv werden — das sind wir schon, das merken wir an den vielen Rechercheanfragen. Die Menschen kommen von überall her. Kein Archiv sonst kann gelesene und erfasste Dokumente in dieser Vielzahl liefern. Das ist unser Motor. Ich möchte, dass mit dieser Zeitgeschichte gearbeitet wird. Dass man Politik besser versteht, die Menschen und ihr Verhalten versteht. Das Archiv bietet eine große Transparenz dafür.
BZ: Welche Themen interessieren?
v. Troschke: In Cambridge gibt es eine Doktorandin, die schreibt über Deutsche Familien in der Nachkriegszeit. Es gibt eine theologische Doktorarbeit zum Thema: Hoffnung in schweren Zeiten. Es ist jetzt gerade frisch eine Doktorarbeit erschienen zum Thema: Apotheken in nationalsozialistischer Zeit. Aber es gibt nicht nur solche Anfragen. Wir diskutieren viel mit Besuchern, mit Schülern auch — über die jüngste deutsche Geschichte etwa.
BZ: Was fasziniert Sie persönlich an den niedergeschriebenen "gelebten Leben" ?
v. Troschke: Ich bin ein Mensch mit großer sozialer Wahrnehmung. Das Sich-Reinfühlen in das Leben anderer, das passiert hier natürlich in unglaublicher Intensität. Wir haben hier das pralle Leben, alles kommt vor. Wir haben den Slogan: Jeder hat das Recht, gehört zu werden. Es ist für mich auch eine politische Arbeit. Den Menschen eine Stimme zu geben, auch wenn sie nicht berühmt waren.
2.8.2008, www.badische-zeitung.de

Ab Dienstag 5.8.2008 lesen Sie in der BZ Auszüge aus dem vor 20 Jahren geschriebenen Tagebuch einer Ärztin und Pfarrersfrau

 

 

Autobiografiker: Aus der eigenen Lebensgeschichte ein Buch machen

Je älter der Mensch wird, umso mehr interessiert er sich für seine eigene Lebensgeschichte. Wenn die Fülle der Erfahrungen und der Umfang der Erinnerungen wachsen, verspüren viele den Wunsch, diese festzuhalten, weiterzugeben und die Bilanz des eigenen Lebens aufzuschreiben. Diese Motivation steht meist im Vordergrund, wenn ein Mensch sich für den Schritt entscheidet, seine Lebensgeschichte einem Autobiografiker zu erzählen und ihn damit zu beauftragen, daraus ein Buch zu machen. Ein Buch des Lebens.

Angeregt werden dazu viele Menschen durch die vielen Autobiografien, die alljährlich auf den Büchermarkt kommen. Prominente unterschiedlicher Kategorien veröffentlichen ihre Memoiren, und erzählen die Geschichte ihres Lebens. Nicht selten kommt bei der Lektüre dieser Lebensgeschichten der Gedanke, dass, was da erzählt wird, nicht spannender ist als die eigenen biografischen Erlebnisse. Diese Erkenntnis ist manchmal auslösender Moment dafür, selbst seine Autobiografie schreiben zu wollen. Aber dann kommt der Moment, wo man vor dem leeren Blatt Papier sitzt und merkt, so einfach geht das gar nicht. Womit beginnt man die eigene Lebensgeschichte? Was will der Autor an Erfahrungen mitteilen? Welche Erlebnisse und Erinnerungen sind es wert, festgehalten zu werden? Schließlich will man ja seine Leser nicht langweilen. Bei dieser Aufgabe können Autobiografiker unterstützend tätig sein. Sie haben sich auf das Schreiben von Autobiografien spezialisiert. Mit ihren Kunden führen sie lebensgeschichtliche Interviews, die aufgezeichnet werden. Sie sind das Rohmaterial für das Schreiben der Lebensgeschichte. Der Erzähler hat dabei immer die Kontrolle darüber, was in seinem Buch des Lebens, das der Autobiografiker für ihn schreibt, zu lesen sein wird. Hemmungen, einem fremden Menschen seine Lebensgeschichte zu erzählen, verfliegen schnell, denn der Fachmann ist geübt im Zuhören und wird das Erzählte nicht kommentieren oder bewerten sondern, gemeinsam mit dem Erzähler, die Quintessenz aus seiner lebensgeschichtlichen Narration herausfiltern und sie so aufschreiben, dass daraus eine gut strukturierte, spannende Geschichte wird. "Als ich ihre Lebensgeschichte las, schien mir, als hörte ich sie sprechen" , war die spontane Reaktion einer Tochter, nachdem sie die Autobiografie ihrer betagten Mutter gelesen hatte. So weit als möglich übernimmt der Autobiografiker die sprachlichen Eigenheiten des Interviewpartners und orientiert sich an dessen typischem Erzählstil. Er ist das Medium, das der Erzähler nutzt, um eigene Erinnerungen in Worte zu fassen und zu präsentieren. Häufig wird anfänglich kreuz und quer erzählt, bis sich mit der Zeit eine Struktur herausbildet. Dieser Prozess der Selbstfindung des Erzählers wird vom Autobiografiker angeregt, aber nicht beeinflusst. Es ist diese offene Art des Erzählens, die als angenehm empfunden wird, selbst dann, wenn von traurigen oder gar traumatischen Lebenserfahrungen berichtet wird. Der Autobiografiker fragt selten dazwischen, sondern bestärkt vielmehr den Interviewer darin, beim Erzählen der Lebensgeschichte seinen spontanen Erinnerungen freien Lauf zu lassen. Im Verlauf der Interviews entsteht so zwischen Erzähler und Autobiografiker ein zwar enges, aber doch stets distanziertes Vertrauensverhältnis. Dazu ist es wichtig, dass der Erzähler Zeit und Raum bestimmt, und die Interviews in einer für ihn angenehmen und vertrauten Atmosphäre stattfinden. Lebensgeschichtliches Erzählen ist Erinnerungsarbeit, die beim Erzähler oft Zufriedenheit auslöst. Denn der Erzählvorgang ist ein augenblicklicher Prozess, der eine biografische Momentaufnahme zutage fördert. In der Erinnerung und Rückschau, Lebensbilanzierung und Bewertung aus der Gegenwartsperspektive entsteht ein abgerundetes Bild der erzählenden Person: die Präsentation der eigenen Biografie. In einem Buch wird sie festgehalten und für die Zukunft aufbewahrt.

Kai Kricheldorff, 29.7.2008, www.badische-zeitung.de

Der Autor ist Autobiografiker bei Rohnstock-Biografien, Berlin www.rohnstock-biografien.de und lebt in Breisach am Rhein.
Erzähl-Salon im Blauen Haus: Erlebnisse vom Kriegsende, Wiederaufbau >Breisach1 (22.4.08)

 

Schreibwerkstatt: Erfahrungen mit autobiografischem Schreiben

Wie Erinnerungen im Schreiben zu sprechen beginnen

"Schreib es auf, Mutter," sagt die Tochter. Sie sitzen am Küchentisch, der Kaffee ist kalt geworden, so gespannt hat die Tochter zugehört, wie ihre Mutter vor 60 Jahren — "Wie alt warst du denn da?" , fragt der Enkel — gerade noch mit dem Treck aus Danzig herauskam, ehe die Stadt eingekesselt wurde, "sonst wären wir noch auf die Gustloff gekommen" sinniert die Großmutter. Und alle verstummen. Schreib es auf! Da klingt mit: Solange du noch lebst. Da klingt auch mit: Es ist kostbar, es soll nicht verloren gehen. Hören die Tochter, der Enkel zum ersten Mal, was damals passiert ist? Oder hören sie es anders als 1968, als im Ton der Anklage Auskunft gefordert wurde? Erzählt die Mutter anders, weil sie jetzt endlich Zeit hat, sich zu besinnen? Und weil das gesellschaftliche Verschweigegebot sich auflöst. Günter Grass veröffentlichte sich im Krebsgang. W. G. Sebald erforschte den Luftkrieg und machte sich schreibend auf die Spur der Ausgewanderten. Endlich darf zur Sprache kommen, dass auch in Deutschland Terror, Schrecken und Leid erlebt wurde. Und die es erlebten, erinnern sich, fangen an zu erzählen. . . Schreib es auf! Aber wie? Manche greifen einfach zur Feder — oder setzen sich vor den Laptop — und schon reiht sich Wort an Wort. Andere zögern: Womit soll ich anfangen? Alles chronologisch? Aber wurden wir nun ausgebombt, bevor oder nachdem der Vater zum Weihnachtsurlaub kam? Der Zwang, es richtig, gar vollständig zu erzählen, stoppt den Schreibfluss schnell. Dann lieber Episoden? Der Schreckensmoment, als der letzte Zug aus dem Bahnhof fuhr und sie mit drei Kindern auf dem Bahnsteig zurückblieb? Nah’ wie mit der Lupe an die Ereignisse herangehen oder aus einem gewissen Abstand erzählen? Möglicherweise noch den historischen Hintergrund einflechten, damit die Nachgeborenen — die wissen ja sonst gar nicht, wovon die Rede ist — es auch nachvollziehen können? Und aus welcher Perspektive? Doch wohl in der Vergangenheitsform? Oder vielleicht so, als passierte es gerade jetzt, um es besonders eindringlich zu machen? Die solche Fragen stellen, sitzen um ein Tischkarree in einem Kurs, der "Autobiografisches Schreiben" im Titel trägt, und den man in den Programmen vieler Bildungsstätten finden kann: Volkshochschulen, Senioren-Akademien, Begegnungsstätten, Dichter-Schulen oder in den Prospekten von Schreibseminar-LeiterInnen. Das Ziel solcher "Schreibwerkstätten" ist meist ein doppeltes. Sie bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Anleitungen, um in den Fluss des Schreibens hineinzukommen, also wahrzunehmen, dass sie schreibend tatsächlich Ausdruck finden können für die Eindrücke, die im Inneren aufbewahrt sind. Und sie unterstützen den Autor/ die Autorin — sofern das deren Ziel ist — dabei, der Sprache den stärksten Ausdruck abzugewinnen für die Erfahrung, die in dem Erlebten enthalten ist. So dass der Text eine eigenständige Gestalt gewinnen kann, ein Eigenleben, das ihn möglicherweise hinausträgt über die Grenzen des "so war es aber in Wirklichkeit" . Dann könnte der Autor und die Autorin zuletzt davor stehen, sich die Augen reibend, überrascht — und beglückt — von dem, was der Text ihm und ihr über sich selbst und die Welt offenbart.
Maria Bosse-Sporleder, 29.7.2008, BZ

Die Autorin ist Autorin, Übersetzerin, Lehrbeauftragte im Seniorenstudium der Pädagogischen Hochschule Freiburg, leitet seit mehr als 25 Jahren Schreibwerkstätten in der Erwachsenenbildung und in eigenen Angeboten:

Maria Bosse-Sporleder, M.A. , Kartäuser Str. 138, 79102 Freiburg, Tel 0761 - 2024 387
www.kreativesschreiben.com, E-Mail: bosse-sporleder@kreativesschreiben.com

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