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Elsass: Unsere Nachbarn im Westen  
Alsace: Nos voisins dans l'ouest
     

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Blick vom Lindenberg nach Westen am 27.12.2007 über Eschbachtal (vorne), Dreisamtal (links) und Rheintal zu den Vogesen
Blick vom Lindenberg nach Westen am 27.12.2007 über Eschbachtal (vorne), Dreisamtal (links) und Rheintal zu den Vogesen

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Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen in Colmar diffamiert und behindert

Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen empören sich über Behandlung durch Präfekten und Polizei anlässlich Großkundgebung in Colmar/Elsaß - Teilnehmer diffamiert, gestört von Polizei und massiv an Rückkehr gehindert.

Atomkraftwerk Fessenheim geht alle Bürger im Oberrheingebiet viel an. Ein großer Unfall kann jederzeit beginnen. Dann würde am Oberrhein Alles Nichts. Etwa 1000 Südbadener haben an der Kundgebung gegen den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Fessenheim am 3. Oktober in Colmar mit weit über 5000 französischen Atomkraftgegnern und zahlreichen Teilnehmern aus anderen Ländern gemeinsam und
friedlich teilgenommen, darunter viele Aktive der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen. Die Sprecher der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen empören sich darüber, dass der Präfekt des Oberelsaß die deutschen Teilnehmer vorab als Randalierer und im Nachhinein als Invasion bezeichnete. Viele friedliebende Bürgerinnen und Bürger wurden durch solche unsägliche Wortwahl und die angekündigte Totalsperrung der Innenstadt Colmars sowie Presseberichte über martialische Vorbereitungen der Spezialpolizei vorab abgeschreckt, teilzunehmen.
Die Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen sind überdies auch empört über die massiven weiteren Behinderungen des Demonstrationsrechts und der Reisefreiheit am Oberrhein: So störte ein Hubschrauber über der Kundgebung eine Stunde lang durch starken Lärm sehr das Verstehen der Reden der Kundgebung.
Ein weiteres schweres Fehlverhalten von Seiten der Nationalpolizei und Polizei war u.a., dass etwa ab 17 Uhr bis etwa 17:45 Uhr deutsche Teilnehmer durch die Polizeiblockade in der Avenue Fribourg und in den Seitenstraßen der Avenue Poincaré zwischen Avenue d'Alsace und dem Bahnhof an der Rückkehr zu Ihren Autos bzw. am Durchkommen als Radfahrer voll gehindert wurden (siehe Fotos).
Es gab auf Fragen an die Polizei keinen Hinweis, wo der Ausgang aus dieser Einkesselung wäre. Der Einsatz der Nationalpolizei war lächerlich, es bestand nicht die geringste Gefahr durch die Teilnehmer. Die Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen erklären hierzu: Die deutschen Teilnehmer haben ein gleiches Recht auf Teilnahme an solchen friedlichen Kundgebungen. Außerdem ist klar,  dass das Risiko von Unfällen des Atomkraftwerks sich auf beide Rheinseiten verteilt. Ein großer Unfall wäre das Ende für die Region am südlichen Oberrhein, gesundheitlich und wirtschaftlich und als Heimat. Dann wäre Alles Nichts. Solche Unfälle können, wie das Öko-Institut (Freiburg) es jüngst im September 2009 in seiner neuen Information zur Atomkraft bestätigte, jederzeit beginnen. Außerdem ist die deutsche Seite über den 15%-tigen Baukostenzuschuss vom damaligen Badenwerk entsprechend mit Strombezugsrechten aus Fessenheim ausgestattet, analog die Schweiz. Fessenheim ist sozusagen ein trinationales Kraftwerk, aber viel zu gefährlich.
Neuesten Informationen zufolge will der E.on-Konzern mit der EDF Kraftwerkseigentum
tauschen: 800 MW Atomkraft in Fessenheim und Cattenom gegen 800 MW Kohlekraftwerke
in Deutschland. Die EDF importiert bereits mehr als doppelt soviel (Kohle-)Strom aus Deutschland
für die vielen Elektroheizungen in Frankreich als sie Atomstrom nach Deutschland exportiert, wie
auf der Fachtagung von Energies3Frontières am 25. September in Colmar berichtet wurde.

8.10.2009, Erhard Schulz, Mitglied im Sprecherkreis der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen

 

Europäische Kundgebung in Colmar am 3.10.: Friedlich - Freundlich - Stark

Mit mehr als 30 Jahren Betriebszeit gehört Fessenheim zu den ältesten AKW Frankreichs. Bei einem in Erdbebengebiet gebauten AKW haben sich in den letzten Jahren Alterungszeichnen und Zwischenfälle zunehmend vermehrt. Im Oktober soll es zum Anlass der «zehnjährigen Inspektion» heruntergefahren werden. Dann soll entschieden werden, ob die Betriebsdauer um zehn weitere Jahren verlängert werden soll. Da Fessenheim ursprünglich für 25 Jahren Betriebszeit vorgesehen wurde und die EDF (französischer Energieversorger) schon seit langem für eine bis zu 40 Jahren verlängerte Laufzeit der französischen AKWs eintritt, kann man befürchten, diese Inspektion sei hauptsächlich symbolisch. In diesem Rahmen organisiert der Réseau «Sortir du nucléaire» (französischer Dachverband für Atomausstieg, der über 840 Vereine umfasst) am 3. und 4. Oktober eine europäische Kundgebung, um die Stilllegung Fessenheim zu fordern und für eine nachhaltigen Energiewende einzutreten.

Seit 9 Monaten wird für diese Veranstaltung nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Schweiz und in Deutschland mobilisiert: Denn sollte ein Unfall in Fessenheim geschehen, würde die atomare Verseuchung keine Grenzen kennen! Zehntausende Menschen werden erwartet und viele friedliche und festliche Veranstaltungen (Konzerte, Konferenzen, Theaterstücke.) sind neben der Demonstration geplant. Schon vor ein paar Monaten hatten die staatlichen Behörden die von dem Kollektiv "Fermons Fessenheim" und dem Réseau vorgeschlagene Strecke und den Versammlungsort akzeptiert. Dies entspricht der Strecke, die für jede in Colmar stattfindende Demo seit Jahrzehnten verwendet wird.

Knapp drei Wochen vor der Demonstration hat aber die zuständige Präfektur verlangt, dass die Kundgebung in einem geschlossenen und vom Stadtzentrum weit entfernten Ort verlagert werden soll. Unruhe und Randale seien zu befürchten, meinen Präfekt Pierre-André Peyvel und Sicherheitsdienstchef des Departments Jean-Christophe Bertrand. Gewalt von Außen sei zu befürchten, äußerte sich Peyvel in der Zeitung Dernières Nouvelles d'Alsace und fügte noch hinzu, dass "die Deutschen ja härter" sind. Die Zeitung L'Alsace erwähnt auch, dass deutsch-französische Einsatztruppen in Hinblick auf die Demonstration gerade mit Flashballs und Tränengas für einen möglichen Straßenkampf trainieren. Die Veranstalter der Kundgebung sind schockiert und prangern die Versuche der Staatsbehörde an, die Demonstration in der geplanten Weise einfach zu verbieten und die Atomkraftgegner durch eine Zuschreibung von Gewaltbereitschaft zu kriminalisieren. Sie erinnern daran, dass die Anti-Atom-Bewegung mit der Friedensbewegung eng verbunden ist und sind empört über den Vergleich mit Randalierern. Vor allem prangern sie den Druck der Atomlobby an, mit dem versucht wird, den zunehmenden Protest gegen Atomkraft zu unterdrücken. Nach den Zwischenfällen in Tricastin (2008), dem Misserfolg bei dem Bau der EPR-Reaktoren und dem enthüllten Skandal der verseuchten Uranabbauregionen ist das Thema Atomkraft in Frankreich empfindlicher als jemals zuvor geworden.

Weil schon so lange für die Demo geworben worden wird und eine kurzfristige Verlagerung zu umständlich wäre, wird "Sortir du nucléaire" trotz des Drucks der Behörden weiter an der Kundgebung festhalten. Die Veranstalter rufen die Atomkraftgegner aller Orte zur Demonstration auf, um gegen Atomkraft und Atomlobby friedlich zu protestieren.

18.9.2009
Réseau "Sortir du nucléaire" , 9 rue Dumenge , 69317 LYON cedex 04 , FRANCE

c/o Charlotte Mijeon, charlotte.mijeon@sortirdunucleaire.fr , Tel + 33 6 75 36 20 20

Mehr Informationen zur Kundgebung:
http://www.fermons-fessenheim.org/spip.php?rubrique30&lang=de 
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/akw-fessenheim-demo-aktion-2009-colmar.html
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/colmar-manifestation-2009.html

 

Wollen die Behörden die Colmar-Demo am 3.10.2009 verhindern?

Hier ziemlich schlechte Nachrichten: der Colmarer Pro-Atom Bürgermeister versucht, die Demo zu verhindern, indem er eine sinnlose Strecke vorgeschlagen hat (zwischen einem Parking und der Eisenbahnschiene). Noch dazu gibt es jetzt schreckliche Artikel in der lokalen Presse, die die Demonstranten als Randalierer darstellen! Was besonders schrecklich ist, ist diese geschickte Verbindung zwischen den deutschen Demonstranten und dem "Schwarzen Block", der in Strasbourg
anwesend war.
Charlotte, 17.9.2009


Violences urbaines: Policiers et pompiers s’entraînent pour la manif de Colmar
45 policiers et 30 pompiers ont participé hier à un entraînement commun en vue du rassemblement européen antinucléaire le 3 octobre, à Colmar. Les autorités craignent les «casseurs» comme lors du sommet de l’Otan. Nuage et odeur âcre du gaz lacrymogène, détonations de flash-ball, bruit de bottes de policiers casqués chargeant des « civils » cagoulés en tapant sur leur bouclier. La scène était hyperréaliste, mais il s’agissait d’un exercice dans un lieu discret: le camp d’entraînement de Hartheim, au Pays de Bade, où les soldats de la Brigade franco-allemande s’entraînent régulièrement à la guérilla urbaine. Cet ancien site des FFA comprenant une dizaine de « maisons » en béton recouvertes de tags et de graffitis sert également de lieu d’entraînement pour les policiers et les pompiers alsaciens. C’était le cas hier, où des sapeurs pompiers de Colmar et des policiers venus de Mulhouse et Strasbourg ont effectué une série d’exercices sur le thèmedes « violences urbaines ».
Cet entraînement commun, dirigé par le capitaine Gilles Brutillot, du Sdis (Service départemental d’incendie et de secours) du Haut-Rhin, et le capitaine Didier Binet, commandant de l’unité de maintien de l’ordre public de Mulhouse, a permis de tester la coordination entre les forces de l’ordre, en simulant des interventions dans des quartiers dits difficiles et une manifestation qui dégénère. C’était le scénario de l’exercice grandeur nature organisé l’après-midi. Une quinzaine de sapeurs-pompiers volontaires de Houssen, Sainte-Croix-en-Plaine et Horbourg-Wihr ont joué le rôle des méchants « casseurs ». Sous le contrôle de trois formateurs spécialisés dans les « violences urbaines » veillant au respect des instructions et à la crédibilité des réactions.
« Est-ce qu’ils tapent vraiment ou pas », s’est inquiété l’un des « casseurs » chargés d’insulter les « flics » et de les « caillasser » avec des balles… de tennis. Les policiers répondaient, eux, avec de
vraies grenades de gaz lacrymogènes. Des larmes ont coulé. C’était un exercice, mais un exercice sérieux… Ouvert à la presse, sans doute pour faire savoir à l’opinion publique que les autorités font tout
pour assurer notre sécurité.
« C’est du cinéma, une manœuvre qui n’aura aucune influence sur la détermination pacifique des antinucléaires », a déclaré Stéphane Lhomme, porte-parole du réseau « Sortir du nucléaire ». « Il n’y aura pas d’incident à Colmar, a-t-il assuré, les autorités françaises savent que nos manifestations sont pacifiques. »
Adrien Dentz, Journal L'ALSACE, le 17/09/2009


Colmar-Manifestation: Für das Leben, gegen Atomenergie und Fessenheim

Offener Brief an:
Monsieur Pierre-André PEYVEL
Préfet du Haut-Rhin, 7, rue Bruat, B.P. 10489, 68020 COLMAR Cedex

Monsieur Gilbert MEYER
Maire de Colmar, 1, place de la Mairie, 68000 COLMAR 18.September 2009


Sehr geehrter Herr Präfekt
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
mit Erschrecken verfolgen wir die aktuelle Debatte um die geplante Manifestation französischer Umweltgruppen in Colmar, die auch von uns unterstützt werden. Wir hören von gezielten Einschränkungen des Demonstrationsrechts, von unzumutbaren Demo-Routen und von der gezielten Verunsicherung der Menschen in Colmar wegen "drohender Gewalt". Auch das alte Schreckgespenst "deutscher Randalierer" wird nach den uns vorliegenden Informationen wieder einmal gezielt genutzt, um die Menschen grenzüberschreitend gegeneinander auszuspielen. Die Gruppen in Deutschland, die diese Kundgebung von Sortir du Nucleaire unterstützen, sind gewaltfrei. Die Umweltbewegung am Oberrhein hat sich über Jahrzehnte hinweg selbstbewusst und friedlich geäußert. Gewalt - das ist für uns: "Kinderkrebs durch AKW, Export von Atomkraftwaffen nach Libyen und überhaupt der Betrieb von Atomanlagen..."
Wir haben vor kurzem in Berlin eine friedliche und machtvolle Kundgebung mit über 50 000 Menschen erlebt und uns über die französische Unterstützung gefreut. An Gewalttätigkeiten bei Kundgebungen kann einzig allein die EDF und die Atomlobby ein Interesse haben, um die Umweltbewegung zu diskreditieren. Mit Sorgen sehen, wir, dass man "Gewalt" auch gezielt herbeireden und herbeischreiben kann. Die aktuelle Berichterstattung, in einem kleinen Teil der Medien, geht leider in diese Richtung und dient so alleine den Interessen der EDF. Freundlich, friedlich und selbstbewusst wollen wir als Europäer an der Place Rapp gemeinsam gegen die atomare Bedrohung demonstrieren. Auch wenn Sie unsere Ziele und Ideale von einem Europa der Menschen ohne atomare Bedrohung nicht teilen, sollten Sie doch zumindest das Demonstrationsrecht nicht aushöhlen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Mayer / Geschäftsführer, BUND, 17.9.2009


 

Culture et Bilinguisme: Streit um zweisprachigen Unterricht

Ein Gericht hat der elsässischen Schulbehörde (Académie) im Streit um die Einführung einer zweisprachigen Gymnasialklasse in Barr Recht gegeben. Seit Anfang der 90er Jahre ist die Zahl der zweisprachigen Klassen im Elsass langsam, aber stetig gestiegen. Nicht genug aus Sicht von Vereinen wie "Culture et Bilinguisme". Vor Gericht wollten sie in Barr eine zweisprachige Klasse für die Abiturkandidaten erzwingen, obwohl dort bereits – so die Académie – eine Klasse mit einem hohen Anteil von auf Deutsch unterrichteten Sachfächern wie Geschichte, oder Geographie bestehe. "Culture et Bilinguisme" wirft der Schulbehörde vor, sie blockiere den Ausbau des zweisprachigen Unterrichts. Zum Schuljahr 2009/2010 richtete sie mit rund 50 neuen zweisprachigen Klassen allerdings so viele ein wie nie zuvor. Inzwischen besucht jedes zehnte Kind im Elsass eine "classe bilingue".
bnü, 4.9.2009

Culture et Billinguisme
Ungfähr 50 % vun de elsässisch un ostlothringisch Bevöelkerung redt oder versteht elsässerditsch oder platt, des macht immerhin 1.000.000 Lit üs (dodevun 350.000 Lothringer) . So isch elsässer-  und lothringerditsch d lawendigscht Regionalsproch vun Frankrich.

5, Boulevard de la Victoire, Strasbourg Tel: +33.(0)3.88.36.48.30 
http://alsacebiling.ifrance.com/ , elsass-bi@infonie.fr

 

Tabakanbau im Elsass steht vor dem Aus in 2010

2010 dürfte sich die Lage der Tabakbauern in Baden und im Elsass, aber auch in der übrigen Europäischen Union drastisch verschärfen. Dann fallen nämlich die Subventionen für Tabak vollständig weg.

Lange hatte die EU zwar eine Anti-Raucher-Politik betrieben, gleichzeitig aber den Tabakanbau finanziell gefördert. Seit 2006 war der Zuschuss pro Kilo Tabak von 3,50 Euro auf zuletzt 2,65 Euro gesenkt worden. 40 Prozent der Subventionen vergibt die EU jetzt noch unabhängig von der produzierten Menge. 60 Prozent werden pro Kilo geernteten Tabaks gezahlt. Vom kommenden Jahr an verlieren die Landwirte pro Hektar kultivierter Tabakfläche 7000 Euro. "Wer vom Tabakanbau lebt", sagt Olivier Riedinger von der Tabakgenossenschaft Alsatabac, "für den gibt es keine Alternative, denn Getreide und Gemüse bringen pro Hektar geringere Erträge." Bislang habe man die Verluste bei der Verarbeitung wettgemacht, sagt Riedinger. Die Blätter wurden nicht mehr einzeln, sondern nach Bündeln sortiert. Das sparte Handarbeit und Zeit ein, bedeutete aber keinen Qualitätsverlust für die Weiterverarbeitung. "Wir hoffen, dass die Industrie vom kommenden Jahr an den Wegfall der Prämien durch höhere Preise ausgleicht." Riedinger, der als Geschäftsführer der Genossenschaft Alsatabac mit Sitz in Straßburg die Interessen der Tabakbauern in ganz Ostfrankreich vertritt, befürchtet, dass mit der tabakfeindlichen EU-Politik der Tabakanbau aus Europa verschwinden könnte. Alsatabac gehören mehr als 200 Landwirte an. Sie ist die größte der sieben französischen Genossenschaften für Tabak. Im Elsass, wo zu 84 Prozent Virginia-Tabak angebaut wird, umfasst die Anbaufläche mehr als 1000 Hektar. Tabak brachte bislang gutes Geld im Verhältnis zur Fläche. Mit ihrer Tabakrichtlinie strebt die EU eine Umorientierung der Tabakbauern an. Das Problem: Tabak bringt etwa zehnmal mehr pro Hektar ein als etwa Mais. Wer dann noch von der Landwirtschaft leben möchte, braucht mehr als die durchschnittlich vier Hektar eines elsässischen Tabakbauern. Mit einem Altersdurchschnitt von 41 Jahren sind die elsässischen Tabakbauern ausgesprochen jung. Sie müssten nun erhebliche Flächen zukaufen. Bei den Erzeugern im Elsass hat die Übergangsphase bis zum Subventionsstopp weder für eine Akzeptanz der Neuregelung gesorgt noch eine Umorientierung in die Wege geleitet. "Dafür ist ein Tabakbauer zu sehr spezialisiert", sagt Riedinger. Probleme bereitet dem traditionell auf beiden Seiten des Oberrheins angesiedelten Tabakanbau (in Baden-Württemberg ernten 140 Betriebe 3900 Tonnen Tabak) nicht nur die Anti-Raucher-Politik aus Brüssel, sondern auch die Globalisierung. Derzeit wird ein Fünftel der in Europa gerauchten Zigaretten aus europäischem Tabak hergestellt. Kommt weniger Tabak aus Europa, dann kaufen die Konzerne ihr Rohmaterial auf dem Weltmarkt.
Vor diesem Hintergrund schien wohl auch die letzte Straßburger Zigarrenmanufaktur in der Krutenau zwischen Münster und Universität nach der Übernahme durch einen Konzern nicht mehr rentabel zu sein. Anfang 2008 übernahm Imperial Tabacco nach einem ersten feindlichen Übernahmeangebot 2007 die Straßburger Zigarrenfabrik, stieß sie wenig später aber wieder ab. Im Juni 2010 ist nun endgültig Schluss. Viele der 227 Beschäftigten befinden sich in einem Alter weit vor der Rente und werden nun in die Arbeitslosigkeit geschickt. Generationen von Familien haben in der Fabrik aus dem 19. Jahrhundert Zigarren gerollt. Ob der Wegfall der Subventionen auch das Ende des Tabakanbaus im Elsass besiegeln wird, muss sich aber erst noch zeigen.
Bärbel Nückles, 17.8.2009

 

Stocamine Giftmüll-Brand: BUND kritisiert mildes Urteil

Im Berufungsverfahren um den Brand der unterirdischen Giftmülldeponie Stocamine im Elsass hat in der vergangenen Woche ein Gericht in Colmar das Urteil gefällt: Der Chef der "sichersten Giftmülldeponie Frankreichs" wurde nur noch zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro verurteilt. Die französische Staatsanwaltschaft hatte dagegen eine vier bis sechsmonatige Bewährungsstrafe gefordert. BUND-Geschäftsführer Axel Mayer kritisiert dieses viel zu milde Urteil, insbesondere auch die Tatsache, dass die Firma Stocamine selber mit eine Strafe von nur 50 000 Euro davonkommt.

Bei dem Verfahren ging es in zweiter Instanz* um den mehrmonatigen Brand von angeblich "unbrennbarem" Giftmüll in der unterirdischen Giftmülldeponie Stocamine im Elsass und um die Gefährdung der ArbeiterInnen bei den Löscharbeiten. Verantwortung trägt nach Ansicht des BUND die Firma Stocamine und deren damaliger Leiter, der erstinstanzlich noch zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war. Stocamine hatte Giftmüll gelagert, für den die "modernste Deponie Frankreichs" nicht ausgelegt war und Mitarbeiter der Firma und der benachbarten elsässischen Kaliminen ohne geeignete Schutzkleidung gegen die hochgiftigen Dämpfe zur Bekämpfung des Unglücks in die Deponie geschickt. Der Brand war am 10. September 2002 in 500 Metern Tiefe* in einem Stollen des Lagers ausgebrochen, in dem sich 45.000 Tonnen Industrieabfälle befanden, darunter Zyanid, Asbest, Arsen, sowie chrom- und quecksilberhaltige Substanzen. Das Feuer konnte erst zweieinhalb Monate später gelöscht werden. Umweltverbände von beiden Rheinseiten hatten die "neue" Deponie schon im Planfeststellungsverfahren massiv kritisiert, waren aber nicht gehört worden. ("Nach übereinstimmender Ansicht aller Experten kann eine Gefährdung der modernsten Deponie Frankreichs zu 100% ausgeschlossen werden" und ähnliche Sprüche)
Für BUND-Geschäftsführer Axel Mayer gilt weiterhin: "Die jetzige Strafe entspricht in keinster Weise der Dimension des Umweltverbrechens und ist damit politisch "auf der Höhe der Zeit". Es  ZUMWINKELT und FRIEDELT auch in Frankreich. Kleine Umweltsünder auf beiden Seiten des Rheins werden bei Umweltvergehen häufig hart bestraft. Die großen Umweltverschmutzer kamen bisher mit Geld und teuren Anwälten leider sehr häufig fast ungeschoren davon. Das jetzige Urteil erinnert an das Skandalurteil aus dem Jahr 2006 gegen die französische Rhodia. Lächerlichen 7500 Euro "Bußgeld", musste die französische Firma Rhodia in Chalampe im Jahr 2006 zahlen, obwohl die unglaubliche Menge von 1200 Tonnen Cyclohexan ins Grundwasser gelaufen waren.
Es gibt keinen Grund mit dem Zeigefinger nach Frankreich zu zeigen. In Deutschland haben wir mit der absaufenden "sichersten Atommülllager" Asse fast spiegelbildlich das selbe Problem. Und in noch  einem Punkt ist die Situation vergleichbar. Die Folgekosten tragen die SteuerzahlerInnen in Deutschland und Frankreich.
20.4.2009, Axel Mayer, BUND Geschäftsführer


Ramdam – deutsche Grundschüler am Lesefest in Wittenheim

Ramdam - Handpuppen Ramdam - Handpuppen

Was Grundschüler aus Münstertal, Gutach, Freiburg und Heitersheim zu französischen Kinderbüchern gebastelt und erfunden haben, ist jetzt am 4. und 5. April in einer öffentlichen Ausstellung im elsässischen Wittenheim nahe Mulhouse zu sehen. Zum 11. Mal veranstaltet das Haus für Jugend und
Kultur MJC Wittenheim in Zusammenarbeit mit der Mediathek sein beliebtes und bekanntes Kinderbuch-Festival Ramdam. Bisher konnten nur französische Schülerinnen und Schüler zwischen drei und elf Jahren aus der Region an diesem Leseprojekt teilnehmen. In diesem Jahr lud man durch die Kooperation mit dem Servicezentrum Französisch auch Schulen von der anderen Seite des Rheins zum Mitmachen ein.
Das Servicezentrum Französisch mit Sitz in Neuenburg bietet Lehrkräften der Grund-, Haupt- und Realschulen in der Rheinschiene Unterstützung, Beratung und Materialien für den Französischunterricht. Bei einer der Fortbildungen im Servicezentrum hatten sich die Ramdam-Macher vorgestellt. Passend zum diesjährigen Motto „ Ich und die anderen“ wurde jeder teilnehmenden Schule eine Auswahl an Kinderbüchern in französischer Sprache zur Verfügung gestellt, verbunden mit Hinweisen zur Bearbeitung im Französischunterricht. Mit Begeisterung und Fantasie setzten sich die Kinder in den vergangenen Wochen mit Bildern und Texten sprachlich und gestaltend auseinander. Für die Ausstellung in Wittenheim entstand eine Reihe überraschender und attraktiver Bastelergebnisse, die die Buchthemen
spiegeln und weiterentwickeln. Da gibt es einen fast lebensgroßen Fußballspieler, Handpuppen aus Strümpfen, einen dreidimensionalen Seerosenteich, Tiere aus Wolle, Zimmer aus Schuhkartons und vieles mehr.
Wer sich einen Eindruck von aktuellen französischen Kinderbüchern, ihren Autoren und Illustratoren sowie der Kreativität von rund 2000 teilnehmenden Schülerinnen und Schülern machen möchte, ist am ersten Aprilwochenende in Wittenheim von 10.00 bis 18.00 Uhr ( 2, rue de la Capucine) willkommen. Angeboten wird neben der Ausstellung eine Reihe von Workshops und Vorführungen. Nähere Informationen gibt es unter www.ramdamwittenheim.fr . Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.
26.3.2009, Landratsamt Freiburg

 

Giftmüll-Stocamine-Plädoyer: Zumwinkelt es auch in Frankreich?
 
"In der Berufungsverhandlung um den Brand in einer Giftmülldeponie im elsässischen Wittelsheim hat sich der Staatsanwalt für eine 4-6 monatige Bewährungsstrafe und eine vierstellige Geldstrafe für den Ex-Direktor und für eine Geldstrafe von 50.000 Euro für das Entsorgungsunternehmen "Stocamine" ausgesprochen." berichten heute die Medien. Mit diesem Plädoyer geht die Staatsanwaltschaft leider nur minimal über das erstinstanzliche Urteil hinaus. Für die Firma Stocamine, die aus Gewinngründen die nötigen Eingangskontrollen der Giftmülldeponie vernachlässigt hat bliebe es sogar bei der erstinstanzlichen Strafe von 50 000 Euro, wenn das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt. Das sind nach Ansicht von BUND Geschäftsführer Axel Mayer keine guten Aussichten für das Urteil, das am 15. April gefällt werden soll. "Es zumwinkelt scheinbar auch in Frankreich. Wenn das Gericht sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließt, dann wird dies keine Abschreckungswirkung für andere große Umweltstraftäter haben"
30.1.2009,
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/stocamine-plaedoyer-2009.html
Die erste Presseerklärung zum Stocamine Verfahren 2008 finden Sie hier
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/stocamine-2009-prozess-colmar.html


 

Neuer Dichterweg in Munster - Dichterwaj

Dichter, die in elsässischer Mundart Verse schreiben, gibt es viele. Von manchen kann man sogar Bücher erwerben. Aber erwandern konnte man sich elsässische Dichter noch nicht. Das ändert sich am Sonntag: Im Münstertal wird der "Dichterwaj" eingeweiht.

Er beginnt beim Bahnhof in Munster und führt drei Kilometer als Rundweg Richtung Mönchberg ins Gelände. Auf 29 Tafeln stellt er ebenso viele Autoren mit einem Gedicht im Original nebst französischer Übersetzung vor. "Drei von ihnen haben sogar auf Hochdeutsch gedichtet", sagt Yves Bisch, Autor und Übersetzer, zuletzt einer dialektsprachlichen Version des "Strubelpeter". Bisch und seine Mitstreiter holten sich Anregungen, als sie in Feldberg bei Müllheim einen Dichterweg entdeckten. Die Idee gefiel ihnen so gut, dass schon 2009 ein zweiter elsässischer Weg bei Blienschwiller entstehen soll. Die erste Ausgabe stellt Adrien Finck, René Egles, Germain Muller, Tony Troxler, Claude Vigée und Liliane Bertolini vor. Anfangs erwies sich die Finanzierung als Hindernis, bis sich eine unbürokratische Lösung fand: "Wir haben Sponsoren gesucht", erzählt Bisch. Für 200 Euro pro Schild engagierten sich Vereine, Firmen und Familien. Aber nicht überall stieß der Weg auf Zustimmung. Bisch und Zeidler, die beide eine einheitliche Schreibweise für den Dialekt verteidigen, schrieben die Gedichte entsprechend um. Der Schriftsteller Martin Graff zog sein Gedicht deshalb zurück: "Wer den Dialekt auf diese Weise vereinheitlicht, der tötet ihn. Eine Übersetzung hätte vollkommen ausgereicht."
bnü, 18.10.2008


 

 

100 Euro für jeden Fahrradkäufer in Colmar

Im Wahlkampf im Frühjahr hat Colmars Oberbürgermeister Gilbert Meyer den Wählerinnen und Wählern viel versprochen. Knapp ein halbes Jahr nach seiner Wiederwahl ist manches auch schon umgesetzt. Dazu gehört, dass Bürger, die über 70 Jahre alt sind, kostenlos den Nahverkehr nutzen dürfen. Außerdem kann sich jeder Einwohner beim Kauf eines neuen Fahrrads 100 Euro erstatten lassen.

"Fast 5000 Bürgerinnen und Bürger haben unser Angebot seit April schon genutzt" , bilanzierte jetzt Yves Hemdinger, der erste Beigeordnete des Oberbürgermeisters, stolz. Die Kaufkraft der Haushalte sinke ja beständig und Radfahren sei ein wichtiger Beitrag für den Umweltschutz. Ganz praktisch funktioniert das System so: Wer ein Fahrrad gekauft hat, reicht die Rechnung beim zuständigen Amt ein und erhält innerhalb von einem Monat seinen Zuschuss. 30 000 Haushalte gibt es in Colmar. Und selbst wenn nicht jeder das Angebot in Anspruch nimmt, rechnet Hemdinger doch mit rund 20 000 Anträgen in den nächsten sechs Jahren. Unterm Strich wird das Projekt die Stadt dann bis zu zwei Millionen Euro kosten. Trotzdem sieht man die Ausgaben im Rathaus gelassen: "Es ist immer noch billiger, als in großem Stil Leihräder anzuschaffen und zu warten." Etwa 400 00 Euro reservierte die Kommune in den vergangenen drei Jahren darüber hinaus für den Ausbau der Radwege. Gemessen an der Größe der Stadt hat Colmar mit 62 Kilometer Radwegen ein gut ausgebautes Netz, dass in der kommenden Jahren auf 100 Kilometer erweitert werden soll, sofern die Spitze der Stadt nach einer möglichen Neuwahl nicht ausgewechselt wird. Denn unter dem Vorwurf der Wahlbeeinflussung hat das Straßburger Verwaltungsgericht vor kurzem die Kommunalwahl in Colmar für ungültig erklärt, und die Politik von Meyer und seiner Mannschaft auf unsichere Beine gestellt. Yves Hemdinger lässt sich nicht entmutigen. "Wir wollen die Stadtviertel besser untereinander verbinden" , kündigt er an. "Die Bürger sollen alles, was ihnen wichtig ist, bis zum Theater- oder Kinobesuch sicher mit dem Rad erledigen können." Was Hemdinger zudem als Umsatzplus für die Fahrradhändler preist, sieht aus der Sicht eines Händlers allerdings derzeit noch nicht so spektakulär aus. "Sicher haben wir vielleicht 15 Prozent mehr Räder als sonst verkauft" , sagt Daniel Witz vom Fahrradladen "Geiswiller" am Marsfeld. Kaum einer habe ein hochwertiges Rad erstanden. "Die Mehrheit nutzte das Angebot, wollte aber so wenig wie möglich selbst draufzahlen," sagte der Sprecher von Colmars Oberbürgermeister. Doch das könnte sich noch ändern. Dass die Führungsriege im Rathaus bald ausgewechselt werden könnte, so wird kolportiert, habe dazu geführt, dass die Nachfrage nach Fahrrädern gerade in den vergangenen Tagen angezogen hat.
Bärbel Nückles, 15.10.2008, BZ

 

 

 

2. Workshop zu grenzüberschreitenden Sonnen-Energie-Wegen

Zwei Sonnen-Energie-Wege im Eurodistrikt Region Freiburg/Centre et Sud Alsace / Vereine und Bürger aus Freiburg und Region zur Mitwirkung eingeladen

Zwei grenzüberschreitende Sonnen-Energie-Wege als Lehrpfade im Eurodistrikt Region Freiburg/Centre et Sud Alsace entwickelt der in Freiburg ansässige gemeinnützige Verein ECOtrinova zusammen mit Vereinen und sachkundigen Bürgern aus Freiburg, den Kreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen sowie aus dem Elsaß. Das zweite badisch-elsässische Vorbereitungstreffen dazu findet am Samstag, 4. Oktober 2008 im elsässischen Sélestat (Schlettstadt) statt. Projektleiter und Initiator Dr. Georg Löser von ECOtrinova und das Agenda 21-Büro Freiburg laden zusammen mit Partnern von beiderseits des Rheins hierzu herzlich ein. Anmeldungen zum 4. Oktober nimmt ECOtrinova e.V. bis 1. Oktober gern entgegen an ecotrinova@web.de oder an ECOtrinova e.V. im Treffpunkt Freiburg, Schwarzwaldstr. 78 d, D-79117 Freiburg, T. 0761-21687-30, Fax -32. Dort gibt es jeweils auch das Programm mit Erläuterungen zum Projekt. Der Eintritt ist frei, die Teilnahmezahl beim 2. Arbeitstreffen begrenzt. Beide Wege sollen grenzüberschreitend in Ost-West-Richtung insgesamt 48 Vorbildobjekte zu erneuerbaren Energien und Energiesparen darstellen. Der erste rund 80 km lange Lehrpfad wird vom Hochschwarzwald durch das Dreisamtal, Freiburg und Breisach nach Colmar bis in Vogesentäler führen, der zweite Weg vom Elztal über Emmendingen nach Sélestat bis in die dortigen Vogesentäler.

Die beiden Routen werden Ende 2008 im Internet und in einer Broschüre veröffentlicht. Die Vorbild-Stationen können dann von Interessierten, wahlweise mit oder ohne Führung durch beteiligte Gruppen, auf Teilstrecken, insgesamt oder einzeln besichtigt werden. ECOtrinova hat für das Projekt "Zwei grenzüberschreitende Sonnen-Energie-Wege für Klimaschutz, Bildung und Tourismus im Eurodistrikt Region Freiburg/Centre et Sud Alsace"; als ein Gewinner des Landeswettbewerbs für Projekte zur Lokalen Agenda Ende 2007 Mittel vom Umweltministerium Baden-Württemberg erhalten. Der Verein wird außerdem unterstützt vom Agenda 21-Büro Freiburg, der ECO-Stiftung und durch ehrenamtliche Mitarbeit.
26.9.2008, ecotrinoca@web.de

 

Ferme Durr im Ried zwischen Rhein und Ill

100 Prozent Bio im Elsass: Ein Spektakel des guten Geschmacks

Während das Elsass nur ein Ried kennt, kennt die Grande Nation Frankreich an der gleichen Stelle ein "Grand Ried". Das große Ried ist die Landschaft zwischen Rhein und Ill, wo man die Berge nur in der Ferne sieht, dafür aber Maulwurfshügel, Trauerweiden, Wasseradern, Orchideen und Schilf. Daher hat das Ried (Alt-Alemanisch heißt Rieth Schilf) auch seinen Namen. Würde man südlich von Straßburg und nördlich von Selestat eine Wasserlinie ziehen, dann hätte man mitten auf dem europäischen Kontinent eine sumpfige Insel. Wasser ist ein prägendes Element in der elsässischen Tiefebene, die nicht nur Alleen kennt, sondern auch Wassergräben wie die "Brunnwasser" . Die ausgedehnten Wiesen und Auwälder sind die Heimat von Buntspecht, Schilfbussard und Haubenkiebitze — das sind die Vögel mit den langen, spitzen Schnäbeln. Raymond Durr, 56, ist ein Bewohner des Rieds. Er ist ein Naturfreund vor dem Herrn und Herr über 120 Hektar Weideland, dazu ist er Ackerbauer, Milchbauer, Schweinezüchter, Apfelbauer, deutsch-französischer Marktbeschicker, Käser, Bio aktivist und alle paar Jahre mal Festveranstalter. Aber nicht irgendeines Hoffestes, sondern einer "grande Fête" , schließlich befindet sich der Bauernhof Durr im Grand Ried.  Am Sonntag werden 20 Bauern ihre Produkte anbieten, reich garniert mit einem bunten Programm aus Ponyreiten, Kutschfahren und Musik. Nicht zu vergessen Essen und Trinken. Wie vor drei Jahren auch werden wieder ein paar Tausend Besucher erwartet. Zweitausend, vielleicht auch dreitausend oder mehr. Aber keine Bange, Monsieur Durr hat Platz auf seiner Ferme, denn statt die Monokultur Mais anzupflanzen, lässt er der Natur ihren Lauf. Durrs "Ländereien" bestehen aus Wiesen, Wiesen und noch mal Wiesen. Dort wächst Gras, also bestes biologisches Viehfutter, für Kühe, die gute Milch geben. Sobald die Leute von Raymond Durr berichten, beginnen ihre Augen zu leuchten, denn Durr schwimmt gegen den Strom. Ein Held irgendwie. Während im Elsass, wie im Badischen auch, die Monokulturen die Sicht nehmen, pflegt Durr noch die Tradition, so wie es schon sein Vater in Boofzheim machte. Der hatte ein paar Kühe und "ein bissel von allem" , wie sich Raymond Durr erinnert. Ursprünglich wollte der junge Durr sein Geld in der Milchwirtschaft verdienen, aber da hat man statt an Milchprodukte nur Umsatz und Gewinn gedacht, erinnert er sich. Nach fünf Jahren besann er sich auf seine Wurzeln und begann den väterlichen Hof in Boofzheim zu übernehmen. Unterdessen begann das "Bauern sterben" , immer mehr Landwirte brachen die Wurzeln zu ihrem Beruf ab und Raymond Durr übernahm deren Weideland. Innerhalb von zehn Jahren versechsfachte er seine Fläche, später kam noch mehr dazu. "Eigentlich möchte ich ja einen kleinen Hof bewirtschaften" , seufzt er, aber die Kollegen ließen ihm keine andere Wahl. Durr ließ die Matten wie sie waren und pflügte sie nicht ("alles Naturwiesen!" ), fällte auch keine Äpfelbäume und verzichtet so auf die Still legungsprämien der Europäischen Union. Stattdessen hat er ein kleines Privatreservat geschaffen, einen florierenden Biobauernhof und nebenbei das Elsass noch um eine kulinarische Spezialität bereichert. Vor mehr als zehn Jahren erfand er den Tomme du Ried, einen feinen Rohmilchkäse, den er in verschiedenen Variationen, natürlich mit Kräutern aus dem Ried, anbietet. Tomme de Ried, Butterkäse, Bergkäse und andere Spezialitäten aus dem Elsässer Tiefland werden natürlich auch bei Durrs Hoffest aufgetischt.
Am Samstagabend findet sogar eine "Mariage" (Hochzeit) von Käse und Wein statt. Allerdings werden die regionalen Spezialitäten nur auf Französisch kommentiert. Zur Not geht das aber auch ohne Französisch. "Käse und Wein sprechen Deutsch und Französisch" , weiß Raymond Durr.
Pascal Cames, 26.9.2008, BZ

Ferme Durr
Depuis plus de 25 ans, la ferme Durr - exploitation agricole de polyculture et élevage - élabore des produits certifiés de l'agriculture biologique, dans le respect des hommes, des animaux et de la terre
Raymond Durr, F-67860 Boofzheim, Tel 03 88 74 87 80
www.ferme-durr.fr , eMail:
biolacte at wanadoo.fr,

Chantal am Käsestand von der Ferme Durr aus dem Elsass am 6.6.2007 
Chantal am Käsestand von der Ferme Durr aus dem Elsass am 6.6.2007 auf dem Münstermarkt in Freiburg

 

AJFE von Julien Riehl - Elsässisch ist cool

Julien wollte nicht der Erste in der Familie Riehl sein, der die Sprache der Ahnen nicht mehr versteht. Nun versucht er, den elsässischen Dialekt wiederzubeleben.

"Nächst Station: Áltr Winmärik" . Als der Lautsprecher der Straßburger Straßenbahn die Haltestelle "Vieux marché aux vins" , den Alten Weinmarkt, auf Elsässisch ankündigt, lächelt Julien Riehl. "Das ist selten! Im öffentlichen Verkehr hört man nicht oft Ankündigungen auf Elsässisch" , sagt er. Selten trifft man in Frankreich auch einen 25-Jährigen wie Julien. Der gebürtige Straßburger spricht fließend den deutschen Dialekt, der heutzutage im Elsass fast nur noch von alten Leuten benutzt wird. Und noch seltener ist ein junger Mann, der sich sogar für die Erhaltung dieser aussterbenden Sprache einsetzt. Seit 2005 ist Julien Vize-Vorsitzender des Vereins "Alsace — Junge fers Elsassische" (AJFE). Ist er ein Konservativer? Vielleicht. Aber nicht im angestaubten Sinn des Wortes. Der Politikwissenschaftler will frischen Wind in die elsässische Kultur bringen. "Wir wollen zeigen, dass Elsässisch eine coole und positive Sprache sein kann" , sagt er. Die Mitglieder des Vereins organisieren einmal im Monat Stammtische mit einem Gast aus der Region. Sie bieten Dialektkurse und veranstalten Ausflüge, um die elsässische Tradition neu zu entdecken. "Wir wollen zeigen, dass diese Sprache eben nicht nur etwas für alte Leute ist." Wer Julien kennenlernt, merkt ihm seine Leidenschaft zunächst kaum an. Sein Französisch ist akzent- und dialektfrei. Statt eines Posters vom Straßburger Münster hängen in seinem Zimmer Plakate der kommunistischen Partei Chinas. Den Grund für seine Liebe zum Elsässischen versteckt sich in einer kleinen italienischen Schokoladenbox, die er in der Schublade seines Schreibtischs aufbewahrt: Schwarzweiße Familienfotos stapeln sich dort über alten Personalausweisen und deutschen und französischen Heiratsurkunden. Dazwischen stecken alte vergilbte Familienakten.
"Als ich dreizehn war, habe ich ein bisschen Stammbaumforschung betrieben" , erzählt er. Schon 15 Generationen lang leben die Riehls an der deutschen Grenze, fand er heraus. Alle acht Urgroßeltern kommen aus der Region. "Mir wurde bewusst" , sagt Julien, "wenn ich nicht mehr Elsässisch spreche, dann gehöre ich zur ersten Generation meiner Familie, die nicht mehr diese Sprache beherrscht." Drei Jahre später fing er an, Elsässisch zu lernen. "Ein Rentner hat in Achenheim, meinem Heimatdorf, Sprach- und Theaterkurse auf Elsässisch angeboten" , erzählt der junge Mann. Zu Hause hatten die Eltern den Dialekt zuvor nie benutzt. "Wir hatten Angst davor, dass unsere Kinder einen Akzent bekommen, wenn wir mit ihnen Elsässisch reden" , sagt Mutter Denise, als müsse sie sich dafür entschuldigen. "Wir wollten nicht, dass sie schlechtes Französisch sprechen und deshalb in der Schule oder im Beruf benachteiligt werden." Dem Sohn sollte nicht dasselbe widerfahren, was die Eltern selbst erleben mussten. "Als Kinder wurden wir verspottet" , erzählt der 53-jährige Vater Jean-Claude. "Im Sommercamp waren wir als Deutsche verschrien." Trotzdem sei es ein Fehler gewesen, die eigene Kultur nicht weiterzugeben. Die Familie ist kein Einzelfall. Nur ein Viertel der im Elsass geborenen Kinder lernten die Regionalsprache. Anfang des vorigen Jahrhunderts waren es noch mehr als 90 Prozent. Während Juliens Eltern die Sprache nur gelegentlich gebrauchen, ist das bei den Großeltern ganz anders. "Bonjour Mamie, wie geht’s? — Bonjour Julien, ja’s geht. — Un wie geht’s um Papy? — Gúet, er isch im Wohnzimmer. — Sen m’r net züe Friejh — Nein, nein." Die 89-jährige Guillaumette und der 87-jährige Ernest aus Lingolsheim, einer kleinen Stadt südlich von Straßburg, sind stolz auf den Enkel. "Wir sind froh, dass jemand in der Familie Elsässisch spricht" , sagt der Großvater. "Ich habe meinen Kindern dieses Versäumnis immer vorgeworfen" , betont die Großmutter. Immer weniger Leute sprechen heutzutage westlich des Rheins die Regionalsprache.

Laut einer Studie des französischen Amts für Statistik beherrschten im Jahre 1999 etwa 545 000 Franzosen den Dialekt in Frankreich, 500 000 davon leben im Elsass. Das sind dort 39 Prozent der Erwachsenen. Vor 40 Jahren betrug der Anteil mehr als 60 Prozent. Auch Julien spricht mit seinen Freunden entweder Französisch oder eine Mischung aus Elsässisch und Französisch. Er bleibt trotzdem Optimist. "Das Elsass hat 30 Jahre Rückstand zur Bretagne" , sagt er. So wie es den "Bretons" gelungen sei, ihre Kultur als "cool" zu präsentieren, müsse auch das Elsässische sein altmodisches Image abstreifen. Schließlich sei es gerade in einer globalisierten Welt wichtig, die Regionalidentitäten zu fördern. Lange haben sich die französischen Politiker geweigert, die Regionalsprachen anzuerkennen. Im Gegensatz zu Deutschland hat Frankreich immer noch nicht die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen unterzeichnet. Seit der jüngsten Änderung der Verfassung in diesem Juli steht immerhin in Artikel 75: "Die Regionalsprachen gehören zum Erbgut Frankreichs." Aber schon Artikel 2 macht klar: "Die Sprache der Republik ist Französisch." "Diese Anerkennung ist zwar ein positives Zeichen" , sagt Julien. "Sie wird aber nichts ändern." Er träumt von zweisprachigen Schulen, von einem elsässischsprachigen Fernsehkanal und Radioprogramm. "Aber dafür braucht es mehr Geld und mehr politischen Willen." Bis dahin scheint der Dialekt in der Kulturszene eine Nische zum Überleben gefunden zu haben. "Das Theater ist ein Pfeiler der elsässischen Kultur" , sagt der Dialektfan. "Dort besteht die mündliche Tradition der Sprache fort." Seit 2004 ist er selbst Schauspieler beim elsässischen Theater Straßburg. Und tritt sogar in der Straßburger Oper auf. Inzwischen versucht er sogar selbst am politischen Rad zu drehen. Vor fünf Monaten wurde er Mitglied des Gemeinderats von Achenheim. Sein Hauptinteresse gilt der Kulturförderung. Im Gemeinderat des Dorfes macht er sich für Straßenschilder auf Elsässisch stark. Auch die Zugankündigungen möchte er gern in der Regionalsprache hören. "Es ist nicht viel, aber es würde die Identität des Elsass ein bisschen unterstützen." Und als er das sagt, hat er dasselbe Lächeln wie in jenem Moment, als er in der Straßburger Straßenbahn saß und die Durchsage "Áltr Winmärik" hörte.
Lilian Alemagna, 28.8.2008, www.rnz.de

 

 

Storch fast ausgestorben -  heute wieder 420 Paare am linken Rheinufer

Der Weißstorch gilt als das elsässische Symboltier schlechthin — wenngleich er keineswegs nur im Elsass heimisch ist. Vor gut 30 Jahren war er im Elsass fast ausgestorben. Dann rettete ihn ein Notfallplan. Heute gibt es wieder 420 Storchenpaare.

Vom Fenster des Frühstücksraums im Hotel "Cigogne" in Munster, das nach dem Storch benannt ist, sehen die Gäste ein Storchennest neben dem anderen. Noch vor einigen Jahren hätte man gesagt: Ein Wunder! Als 1974 die Zahl der Störche auf neun Paare gesunken war, versetzte das die Elsässer geradezu in Panik. Der Weißstorch, ihr Symboltier, fehlte. "Es macht die Menschen glücklich, wenn sie einen Storch sehen" , sagt Gérard Wey, Vorsitzender des Vereins Aprécial. Der Verein zum Schutz des Storchs im Elsass und in Lothringen leistete mit Rückendeckung der Gebietskörperschaften die Kärrnerarbeit bei der Wiederansiedlung der Störche. Mitte der 80er Jahre entstanden nach und nach Auswilderungsgehege,
in denen Weißstörche angesiedelt und gezüchtet wurden. Die Jungtiere wiederum folgten dem natürlichen Verhalten der Zugvögel, flogen im Spätsommer nach Afrika und kehrten im Frühjahr zurück. Zuvor war die Methode in der Schweiz — ebenfalls mit Erfolg — erprobt worden. Inzwischen leben wieder 270 Paare im Oberelsass, 150 im Unterelsass, 1400 in ganz Frankreich. Zwar entwickelt sich der Bestand auch in Südbaden gut, doch mit diesen Zahlen kann man auf der deutschen Rheinseite nicht mithalten. Von den im Elsass heimischen Störchen bleibt inzwischen die Hälfte das ganze Jahr über. "Unsere Jungstörche verlassen das Elsass im ersten Jahr, wenn sie selbstständig losziehen" , sagt Wey, "danach geben sie den natürlichen Rhythmus auf und bleiben." Wey glaubt, dass die Störche sich an das hiesige Klima gewöhnt haben. Im Bereich der Aufzuchtstationen haben sie zudem auch im Winter ausreichend Futter. Ein Wandel, den der Mensch erzeugt hat, könnte Ursache gewesen sein, dass die Störche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts langsam verschwanden. Als im 19. Jahrhundert der Rhein reguliert und begradigt wurde, veränderte das den Lebensraum für Tiere und Pflanzen grundlegend. Zuvor hatte sich der Fluss immer wieder aufs Neue sein Bett gesucht, die Gegend überschwemmt und ein sumpfiges Rheinvorland geschaffen. Bis zur Französischen Revolution, vermutet Wey, hat es am Oberrhein sogar um die 900 Storchenpaare gegeben. Um 1870 wurden allein bei Straßburg zwischen 80 und 90 Paare gezählt, in Colmar sollen es an die 40 gewesen sein, die sich auf Dächer und Kamine setzten. Das ist übrigens eine elsässische Besonderheit: "Nirgendwo sonst in Frankreich machen Störche das" , sagt Wey: ihre bis zu 300 Kilo schweren Nester auf Dächer bauen. Sie bleiben den Städten lieber fern. Im Elsass wurde der Storch in zwei Dutzend Gehegen wie im Zoo von Mulhouse, der Straßburger Orangerie oder im Ecomusée anders sozialisiert. Ungeachtet der erfolgreichen Aufzucht müssen die Störche mit ihren zwei Metern Spannweite vor einer Bedrohung geschützt werden: die Hochspannungsleitungen, in denen vor etwa 15 Jahren noch 60 Prozent der Tiere starben. Heute verhindern Schutzvorrichtungen, dass die Störche sich setzen — was auch anderen Vögeln zugute kommt. "Wenn es um den Storch geht" , sagt Wey, "gelingt es leichter als bei anderen Arten, etwas auf die Beine zu stellen." Denn der Storch ist einfach beliebt.
Bärbel Nückles , 27.7.2008, BZ

 

Frankreichs Streit um Anerkennung seiner Regionalsprachen

Korsen, Basken und natürlich die Elsässer kämpfen seit Jahrzehnten einen Identitätskampf gegen das staatliche Schulsystem, das jedem heranwachsenden Franzosen das Rüstzeug fürs Fortkommen im Leben vermitteln soll, sprachliche Varietäten jedoch negiert. Erstmals schien jetzt ein Durchbruch greifbar: Im Mai stimmte die französische Nationalversammlung für einen Zusatz zur Verfassung, der sämtliche Regionalsprachen des Landes als Teil der französischen Kultur anerkennt.

In den Regionen wurde das Vorhaben als Schritt mit Symbolkraft begrüßt. Doch niemand verspricht sich heute von dem Verfassungszusatz greifbare Fortschritte, etwa mehr staatliche Unterstützung als bisher beim Ausbau der zweisprachigen Klassen, die als ein wichtigstes Instrument bei der Wahrung der regionalen Idiome gelten. Umso mehr überraschte es, als die Debatte um die Anerkennung der französischen Regionalsprachen Anfang unlängst hoch kochte: Die Académie Française, Frankreichs ehrwürdige Hüterin der Sprache, lehnte die Verankerung der Regionalsprachen in der Verfassung ab. Zwei Tage später schloss sich die zweite französische Kammer der Position der "Unsterblichen" , wie die Mitglieder der Académie Française genannt werden, an: Mit 216 gegen 103 Stimmen lehnten die Senatoren — auch jene, die der Regierungspartei UMP angehören — den Verfassungszusatz über die Regionalsprachen ab. Französische Kinder kommunizierten nur noch per SMS, da sei es geboten, die französische Sprache zu stärken, lautete das Hauptargument in der hitzig geführten Debatte. "Der Jakobinismus ist eben noch lange nicht tot" , reagierte der Elsässer Gérard Cronenberger in Anspielung auf den französischen Zentralstaat, der alles Abweichende einebnet. Cronenberger, Bürgermeister von Ingersheim und Vorsitzender des Vereins zur Rettung der elsässischen Sprache, hofft auf den gesunden Menschenverstand der Abgeordneten, bei den kommenden Abstimmungen. Denn nach dem Nein der Senatoren ist der Zusatz nicht vom Tisch. Bevor die Versammlung beider französischer Kammern im Juli über die Reform der französischen Institutionen abstimmt, wird es wohl eine Einigung über einen dann veränderten Text geben. Was den Streit um die Anerkennung der Regionalsprachen verkompliziert, ist, dass er nur ein kleiner Baustein innerhalb der großen, von der Regierung Sarkozy angestrengten Verfassungsreform ist. Justizministerin Rachida Dati verteidigte den Zusatz, deutete allerdings an, dass die Regierung, die sich weigert, die europäische Charta der Regionalsprachen anzuerkennen, nicht um jeden Preis an ihm festhalte.
Der elsässische Regionspräsident Adrien Zeller kritisierte die Académie Française in einem offenen Brief mit einem Selbstbewusstsein, das in solcher Deutlichkeit bislang selten aus dem Elsass vorgetragen wurde. "Eine intelligente Förderung der Regionalsprachen spaltet keineswegs die Nation" , meldete sich Zeller zu Wort. "Mit dieser reduzierenden Vorstellung von Frankreich kann ich nicht einverstanden sein. Einheit bedeutet nicht Uniformität." Das Problem, wie Frankreich mit seinen regionalen Besonderheiten umgeht, wird am Beispiel des Elsass besonders deutlich, weil es sich bei dem alemannischen Dialekt (ganz im Norden der Region mit fränkischem Einfluss) um Frankreichs Regionalsprache mit den meisten aktiven Sprechern — circa eine Million — handelt. Dennoch haben die Elsässer guten Grund zur Klage. Generationen von Dialektsprechern wurden seit dem Zweiten Weltkrieg Komplexe eingeredet. Das Elsässische hatte es schwerer, weil es als Dialekt der Sprache des ehemaligen Kriegsgegners vorbelastet war. Deutsch war die Sprache der Nazis, die junge Elsässer in die Wehrmacht gezwungen hatten. Die Kinder der Nachkriegsgeneration sind heute kaum noch in der Lage, ihrerseits den Dialekt weiterzugeben.
François Schaffner, Vorsitzender des Vereins "Culture et bilinguisme" (Kultur und Zweisprachigkeit), sieht vor allem in der Vermittlung der deutschen Hochsprache eine Überlebenschance. "Der Dialekt braucht die Hochsprache als Quelle, sonst verkümmert er." Zumal in Wirtschaftskreisen wird eine breitere Förderung von Dialekt und Deutsch angemahnt. Denn wer Deutsch spricht, hält im Elsass einen Schlüssel zum grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt in der Hand, der für frühere Generationen selbstverständlich war. 30 Prozent der baskischen Kinder besuchen heute zweisprachige Klassen. Selbst den Korsen ist es gelungen, dass 15 Prozent ihrer Kinder zweisprachig unterrichtet werden. Von separatistischen Gedanken ist man im Elsass weit entfernt. Ganz im Gegenteil verstehen sich die Elsässer als Musterfranzosen. Ein Anteil von nur acht Prozent zweisprachig geschulter Kinder — mit den Privatschulen sind es in Zahlen rund 18 000 Kinder und Jugendliche — das ist vielen zu wenig. Ein Grundproblem ist aus Sicht der Vereine wie "Culture et Bilinguisme" , dass "den Eltern noch immer erklärt wird, es sei für das Kind besser, Englisch zu lernen" , sagt Schaffner. Hinderlich war auch lange das — wissenschaftlich längst widerlegte — Vorurteil vieler Eltern, wer mit seinen Kindern Dialekt spreche, verhindere, dass sie ordentlich Französisch lernen, und verbaue ihnen Lebenschancen. Wie dem auch sei: Der Zusatz zur Verfassung wäre in jedem Fall ein Prestigegewinn. "Wir dürfen uns allerdings keine Hoffnungen machen" , sagt François Schaffner, "dass wir eines Tages wie in Luxemburg eine flächendeckende Mehrsprachigkeit haben."
Bärbel Nückles, 23.6.2008, www.badische-zeitung.de

 

Adrien Finck aus Strasbourg gestorben - Adje un merci

De elsässischi Dichter Adrien Finck us Stroßburg isch gschtorbe. Er isch 1930 im Sundgaudorf Hagenbach uf d Welt choo un dört ufgwachse, "sallamols, wu sa-n-im Kind g'sait han, àss 's ke Sproch hàt" . In de Schuel isch em unter de dütsche Assimilationspolitik d Mundart verbotte gsi, "brutale Entwelschung" hät er s spööter gnennt, de Vater isch verhaftet worde, de Brueder, zwangsiizooge, z Russland gfalle. Französisierung noch em Chrieg, un uf eimool un endlich de Weg zruck zue de Wurzle, als Dichter: "Jetz red i in minra Sproch" .
Dütsch hät er studirt, isch Germanischtik-Professer an de Uni z Stroßburg worde, hät über d Lyrik vom Trakl (Habilitation), Hölderlin un Rilke gforscht, hät die un andri ins Französischi übersetzt, hät hunderti vo Studente für die dütschi Literatur begeischtret. Er isch e Kämpfer gsi für s Elsiss, für d Region un gliichzittig e Bruckebauer über de Rhii für e fridlichi europäischi Zuekumft.

"Encore/Noch" , Rhapsodie en Triphonie — heißt si letschte, wie allimools dreisproochige, Gedichtband. Er hät für s elsässischi Alemannisch kämpft, sich gege de Untergang gschtemmt. "Langue de plaisier — Luschtschprooch" nennt er si, sini elsässischi Mül-Müsik: "Hilf dü uns jetz, Müadersproch, àss m'r d'r richtig Wag finda z' d'r Menschaitssproch." In sinere großartige Zitschrift Revue alsacienne de littérature hät er wider un wider au uns Nochbere Raum gä für unsri Dichtung. Truurig sage mir, zämme mit sinre Familie un unse elsässische Fründ: Adrien, adje un merci viilmools.

ischnüfa
's Heiliglichta
ischnüfa
's Heiligschwara
üsschnüfa
àlles widder z'ruckga
dànkbàr

Markus Manfred Jung, 21.6.2008, Lueginsland
 

Langue Étrangère - Adrien Finck
Dreimal sieben Fremdsprachen werden gelehrt
an der Straßburger Universität, faculté des langues, littératures et civilisations étrangères
dreimal sieben Fremdsprachen
Deutsch ist auch dabei und selbst noch
Elsässerdeutsch
Meine Sprache ist fremd im eigenen Land

Àss ebbis üewrigblibt - Adrien Finck
I red a Sproch wu ma boll nimma redt
Un vor eb's z' spot isch sàg i noch
wia àlles heisst
un schrieb's uf
àss ebbis üewrigblibt
in Geischt verwándelt
in Schrift
Erinnerung
I schrib `s uf a Blett
scho kunnt d'r Wind
soll i `s igràwa in d' Heidamüra
Steizithehla Pyramidagräwer Urwàldtampel Katakumba
i schrib `s uf a Blett
scho kunnt d'r Wind
fliag
Gedichtla fliag


http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/idx-kultur.html

 

TGV von Mulhouse nach Freiburg führen

Landrätin Dorothea Störr-Ritter, Freiburg   Landrätin Dorothea Störr-Ritter, Freiburg

Landrätin Störr-Ritter für Anbindung der Region Freiburg an das französische Hochgeschwindigkeitsnetz

Landrätin Dorothea Störr-Ritter unterschreibt die politische Initiative "Grenzen überwinden - Verbindungen schaffen" und tritt damit für eine hochwertige Schienenverbindungen zwischen Mulhouse und Freiburg ein. Mit der Initiative wirbt der Zweckverband Regio-Nahverkehr Freiburg für die Anbindung der Region Freiburg an den TGV Rhin-Rhône. Hierzu sollen zunächst konkrete Schritte zur Reaktivierung der Strecke Mulhouse-Freiburg für einen regelmäßigen S-Bahnverkehr unternommen und später die  Durchbindung von in Mulhouse endenden TGV-Zügen nach Freiburg erreicht werden.
2.5.2008, Landratsamt FR


 

Supernanny für zwei Euro: Familienkasse, Krippen, Tagesmütter

Im Elsass gibt es ein reichhaltiges und kostengünstiges Angebot an Krippen und Tagesmüttern

Wann arbeitest du endlich wieder?", tönt es durch den Telefonhörer, fast schon wie ein Vorwurf. Wieder so ein lästiger Anruf einer verständnislosen Freundin aus Paris. Valerie Holder legt genervt den Hörer auf. Die 35-jährige Französin aus Dijon lebt im Elsass und ist seit der Geburt ihres ersten Kindes vor acht Jahren Hausfrau und ehrenamtliche Stillberaterin bei der EMA in Colmar. Das zweite Kind, die Tochter, ist knapp drei Jahre. Allmählich verrinnt die "Schonungsfrist" , der Druck von außen nimmt zu. Warum eigentlich? Holder ist sich der Ursache durchaus bewusst. "Unsere Mütter und Großmütter haben das französische System revolutioniert und alle Hindernisse für eine schnelle Rückkehr in den Beruf aus dem Wege geräumt." Arbeiten ist in Frankreich — so auch im Elsass — für Mütter ab dem dritten Monat nach der Geburt ihres Kindes kein Problem, dafür sorgt ein üppiges Netzwerk ausgebildeter Tagesmütter, der "assistantes maternelles" sowie ausreichende Krippeneinrichtungen. Enttlang des Rheins tun sich einige Optionen auf: Von St. Louis, über Hésingue, Mulhouse, Munchouse, Illzach, Sausheim, Ensisheim, Ottmarsheim und Fessenheim, Volgelsheim, Kunheim und Marckolsheim, um nur mal jene entlang des Rheines zu nennen. "Aber gerade das macht es nichtberufstätigen Müttern schwer" , erklärt die Wahl-Elsässerin. Unterschwellig nehme sie teilweise die Botschaft wahr: "Geh gefälligst arbeiten, unsere Vorgängerinnen haben sich hart für dieses System eingesetzt!" Schließlich kommt den Familien nicht nur ein reichhaltiges Betreuungsangebot, sondern auch ein sehr kostengünstiges System entgegen.
Doch sollten deswegen jene Mütter, die die Möglichkeit haben, zu Hause ihre Kinder selbst zu erziehen, schief angeschaut werden? In Frankreich wird über Fluch oder Segen der Krippen jedenfalls viel weniger gestritten als in Deutschland, wo sich an dieser Frage die Geister noch lange scheiden dürften. Denn für viele sind Kinderkrippen eher ein Segen, der ökonomische wie soziale Vorteile mit sich bringen mag — für Alleinerziehende oder zugezogene Familien ohne familiäres Netzwerk allemal. Aber wie sieht die Kleinkindbetreuung konkret bei unseren elsässischen Nachbarn eigentlich aus? Eine Anlaufstelle ist die Einrichtung "Relais des assistantes maternelles" in Ottmarsheim, Fessenheim oder Volgelsheim, die die "Nounous" , die Tagesmütter, aus dem Umkreis vermittelt. Hier kostet eine Supernanny für jedermann gerade mal zwei bis zwei Euro und 50 Cents die Stunde. Allerdings summieren sich noch geringe Kosten für Unterhalt (Strom und Wasser) und Mahlzeiten hinzu. Dennoch bleibt es bei einem überschaubaren Sümmchen, das noch weit unter den deutschen Kostenverhältnissen liegt, zumal die Familienkasse — la CAF (la caisse allocations familliales) — den Eltern finanziell unter die Arme greift. Beispiel: Bei einem Gesamtjahreseinkommen von nicht über 42 722 Euro darf das Elternpaar mit einem Betreuungszuschuss von 269 Euro pro Kind rechnen. Dieselbe Unterstützung gibt es für Krippenkinder.

Krippenplätze werden allerdings etwas anders berechnet. Anders als bei den Tagemüttern, die ihren festen Stundenlohn haben, egal welches Einkommen die Eltern erzielen, berechnet sich die Höhe der Krippenkosten aus den Jahreseinkünften der Eltern. Diese müssen ihre Lohnabrechnungen und Steuerbescheide vorlegen. Für ein Paar mit einem Gesamtjahreseinkommen von beispielsweise 40 000 Euro verlangt jede staatliche Krippe zwei Euro pro Stunde. Für Eltern mit zwei Kindern ist das Einkommen auf 49 188 Euro "plafoniert" , nach oben hin begrenzt. Es spielt dabei keine Rolle, wie viele Stunden und somit wie viel Geld die Kinderbetreuung kostet. Bei einem geringeren Betreuungsaufwand profitiert man von den gleichen Zuschüssen. In Sachen Kinderbetreuung wird den Eltern auch über das dritte Lebensjahr hinaus unter die Arme gegriffen, bis das Kind sechs Jahre alt ist, wenn die "Nounou" auch später noch das Kind zur Schule bringt oder mittags bekocht. Generell sind die Tagesmütter sehr flexibel und an außergewöhnliche Arbeitszeiten gewöhnt. Josephine Chainay aus Obersaasheim blickt auf einen Erfahrungsschatz von 25 Jahren zurück. "Ich hatte Kinder schon bis in die späten Abendstunden in meiner Obhut oder gar über Nacht und an den Wochenenden zu versorgen, da die Eltern in Schichten arbeiteten" , erzählt sie. "Einmal hatte ich ein Kind kontinuierlich über einen Zeitraum von drei Wochen unter meine Fittiche, weil die Eltern beruflich auf Achse waren" , fährt sie fort. Der Fleiß zahlt sich aus: Ab 22 Uhr bis sechs Uhr morgens verdoppelt sich der Stundentarif, ebenso an den Wochenenden. Für Tagesmütter ein lukratives Geschäft, insofern der kleine Sprössling durchschläft.
Heike Loesener , 21.4.2008, BZ
 

 

 

 

Université de Haute Alsace (UHA) in Mulhouse und Colmar

Als moderne Campus-Uni wurde 1975 die Université de Haute Alsace (UHA) mit den beiden Standorten Mulhouse und Colmar gegründet. Ihre Geschichte reicht allerdings bis ins 19. Jahrhundert zurück, als die Textilfabrikanten und die Industrielle Gesellschaft von Mulhouse gut ausgebildete Ingenieure brauchten. Heute ist die Hochschule ein wichtiger Partner im Eucor-Verbund der Hochschulen am Oberrhein.


Die Ecole National Supérieure de Chimie, 1822 bei ihrer Gründung die erste ihrer Art in Frankreich, und die Hochschule für die mechanischen Bereiche der Textilherstellung, die Ecole Nationale Supérieure des Industries Textiles de Mulhouse, sollten an Ort und Stelle den Bedarf an akademisch ausgebildeten Nachwuchskräften decken. Beide Schulen bilden auch heute noch in der Universität eine Einheit. Sie besitzen den Rang von Ingenieurschulen, die in Frankreich zu den Grandes Ecoles zählen, jenen Eliteuniversitäten mit dem national größten Ansehen, die sich ihre Studenten nach strengen Kriterien auswählen können. Nur 50 von 3000 Bewerbern werden beispielsweise von der Ecole de Chemie pro Studienjahr angenommen. Die Orientierung an den Erfordernissen der Industrie galt auch seit der Gründung der Universität in der Entwicklung von deren Lehrangebot. Dank ihrer geringen Größe von 8000 Studierenden hat sich die südelsässische Universität bis heute ein hohes Maß an Flexibilität bewahren können.
"Vor allem mit unserer Ausbildung in Nischenfächern heben wir uns von anderen ab" , sagt Universitätspräsident Alain Brillard. Mit Interesse, manchmal auch als Berater, verfolgt er, wie sich in Straßburg mit 40 000 Studierenden die größte französische Provinzuniversität formiert. Gleich zu Anfang gab es an die Oberelsässer das Angebot, sich anzuschließen. Doch Brillard zögerte nicht eine Sekunde, er wollte die Eigenständigkeit seiner Hochschule nicht aufgeben.

In Mulhouse und Colmar standen und stehen, auch außerhalb der Ingenieurfächer, stets Studiengänge mit einem stark berufsorientierten Profil im Mittelpunkt. Dazu gehört eine Vielzahl von Aufbaustudiengängen, wie sie in Colmar im Versicherungs- und Finanzwesen oder für Umwelt- und Sicherheitsmanagement angeboten werden. Doch der Horizont der Université de Haute Alsace ist nicht auf das Elsass beschränkt, sondern bezieht jenseits der Grenzen die Nachbaruniversitäten am Oberrhein ein. Sie pflegt ein Netzwerk mit anderen Hochschulen und Unternehmen, arbeitet eng mit Labors und der Industrie im Dreiländereck zusammen. Mulhouse versorgt seit langem nicht nur die Fabriken im Südelsass mit qualifizierten Arbeitskräften: Ein Drittel der Chemieabsolventen aus Mulhouse wandert auf den Schweizer Arbeitsmarkt ab.
Für den Direktor der Ecole Nationale Supérieure de Chimie, Serge Neunlist, ist es unerlässlich, eine gute Fachausbildung mit Weltoffenheit zu verbinden — beides verlangt die heutige Arbeitswelt. Deshalb vernetzt sich die UHA seit Jahren zunehmend mit den Universitäten des Oberrheins innerhalb von Eucor, dem Verbund der Hochschulen zwischen Basel und Karlsruhe. In diesem Rahmen bereitet Neunlist zusammen mit Fachkollegen der Universität Freiburg einen gemeinsamen Studiengang für Chemiker vor, dessen Lehre in Deutsch, Französisch und in der Weltwissenschaftssprache Englisch stattfinden wird.
Eben wegen dieser grenzüberschreitenden Aspekte nicht nur in den naturwissenschaftlichen Fächern ist die UHA für die Studierenden attraktiv. Marine Quetin aus dem Burgund etwa studiert im ersten Jahr Germanistik, weil sie von der Kooperation mit der Freiburger Pädagogischen Hochschule in der Lehrerausbildung erfahren hatte. Viele Studierende leisten ihre Praktika in der nahen Schweiz oder bei BASF in Ludwigshafen ab. Auch Examens- und Doktorarbeiten, die möglichst in die Industriepraxis eingebettet sein sollen, nutzen die Kontakte über die Grenze hinweg, die die Institute in Mulhouse in den vergangenen Jahren geknüpft haben.

Badische Zeitung Freiburg
Bärbel Nückles , 11.4.2008, www.badische-zeitung.de

 

Ausbildung zweisprachiger Grundschullehrer: Bewerber gesucht

Im Elsass werden zu wenig zweisprachige Grundschullehrer ausgebildet. Doch das liegt nicht an der Politik, meint Edith Weber. Sie leitet das Pädagogische Ausbildungszentrum in Guebwiller für den Unterricht in Grundschulklassen mit gleichberechtigt deutschem und französischem Unterrichtsanteil — und sie sagt: "Wir haben mehr Studienplätze als kompetente Bewerber." Das Ausbildungszentrum ist auf Wunsch der Generalräte beider elsässischer Departements im Jahr 2000 entstanden. Es residiert in Guebwiller in einem renovierten Schloss aus dem 18. Jahrhundert.

Die mangelnde Nachfrage lässt sich leicht erklären. Denn die künftigen Grundschullehrer müssen eine bewundernswerte Mischung aus Leidensfähigkeit, Hartnäckigkeit, Idealismus und Sendungsbewusstsein mitbringen. Nach nur zwei Jahren Ausbildung wird von ihnen erwartet, dass sie Mathematik in deutscher Sprache unterrichten und in der nächsten Schulstunde ein anderes Fach auf Französisch. Trotzdem werden sie so bezahlt wie normale Lehrer. Da hilft es, wenn schon früh eine besondere Neigung zur deutschen Sprache besteht. Wie bei Véronique Heyerchet (23), deren Eltern Deutschlehrer sind. Einen dreijährigen Universitätsabschluss in Germanistik hat sie schon. Andere künftige Absolventen sind Elsässer, die — darin eine Ausnahme in der jüngeren Generation — Dialekt sprechend aufgewachsen sind, weil ihre Familien das Elsässische nicht verdrängt haben. Zugleich haben sie in der Schule Hochdeutsch gelernt. "Aber es gibt auch junge Leute, wie einen Studenten aus Montpellier" , sagt Edith Weber, "der aus Freude an der Sprache hierher gekommen ist, um später Deutsch zu unterrichten" . Sie selbst gehört einer Generation an, der in den Jahren nach dem Krieg verboten wurde, Elsässisch oder Deutsch zu sprechen.
Dass meist weniger als die möglichen 50 Bewerber im Jahr angenommen werden, hat aber vor allem mit den hohen Anforderungen zu tun. Und die halten bis zum Examen an: Nur 65 bis 75 Prozent der Prüflinge haben in den vergangenen Jahren bestanden. Dafür ist den Absolventen am Ende ein Arbeitsplatz sicher — wie allen, die Prüfungen für Staatsbedienstete in Frankreich bestanden haben. Stéphane Trautmann gehört zu einer besonderen Gruppe unter seinen Kommilitonen. Weil es nämlich zu wenig Lehrer mit doppelter Kompetenz für die derzeit 252 zweisprachigen Klassen in den Grundschulen des Elsass gibt, stellt die Schulbehörde Lehrer auch ohne Spezialausbildung befristet ein. Für eine Verbeamtung brauchen sie aber den speziellen Abschluss. Deshalb bereitet sich Trautmann in Guebwiller auf die Staatsprüfung vor. Zwei Jahre praktische Zeit wären allerdings besser, meint er. Sei Ziel ist, dass seine künftigen Schüler Deutsch mögen und ihnen nicht Englisch, wie der Mehrheit, als erste Fremdsprache wichtiger erscheint.
Bärbel Nückles, 1.3.2008, www.badische-zeitung.de

 

20 Jahre Freundschaft: Staufen-Münstertal mit "Heimetsproch un Tradition"

Seit 20 Jahren pflegt der EU-Stadtverband Staufen-Münstertal einen engen Gedankenaustausch und eine feste Freundschaft mit der elsässischen Gemeinschaft "Heimetsproch un Tradition" . Die regelmäßigen Kontakte diesseits und jenseits des Rheins über mehr als 20 Jahre hinweg dürften in der Regio ziemlich einmalig sein.

Die gastgebende EU-Vorsitzende Sieglinde Lange konnte beim jüngsten Zusammentreffen in der "Linde" im oberen Münstertal neben zahlreichen EU-Mitgliedern den gesamten engeren Vorstand der elsässischen Vereinigung mit ihrem Präsidenten Henri Scherb willkommen heißen. Vor genau 20 Jahren, so erinnerte die Vorsitzende, habe der elsässische Dichter und Gründer der "Heimetsproch un Tradition" , Charles Goldstein, das Münstertal besucht. Nach seinem plötzlichen Tod seien die freundschaftlichen Kontakte von Jahr zu Jahr weiter vertieft worden, vor allem durch Henri Scherb, der als Präsident regelmäßig dafür sorgt, dass sich für die zu Besuch kommenden "Europäer aus dem Badischen" alljährlich die Rathaustüren in den elsässischen Städten und Gemeinden öffnen. Die Vorsitzende erinnerte beispielhaft an die jüngsten Besuche und "unvergesslich schöne Stunden" bei Maire Gerard Cronenberger in Ingersheim, bei Roger Schmitt in Kientzheim, bei Jacques Cattin in Voegtlinshoffen oder bei Karl Albert in Chatenois.
Seit Jahren seien mehrere elsässische Freunde Mitglied in der Europa-Union, lobte die Vorsitzende. Als äußeres Zeichen der Anerkennung für eine überzeugende Partnerschaft und Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg überreichte die EU-Vorsitzende die silberne Ehrennadel der Europa-Union Deutschland samt Urkunde an Präsident Henri Scherb. "Unsere beiden Verbände haben die gleichen Zielsetzungen" , bestätigte der Geehrte und nannte dazu konkret den Erhalt von Kultur, Brauchtum und Muttersprache und — ganz im Sinne der EU-Vorsitzenden — den Frieden in Europa. Die erste Begegnung vor 20 Jahren bekräftigte Henri Scherb in seiner elsässischen Muttersprache mit der Feststellung: "Sitterhar düürt unseri Frendschaft mit regelmassiga, gegasittige Bsüach un Kontakte" .

Die heutige deutsch-französische Freundschaft sei ein "Weltmodell für ein friedvolles Zusammenleben" , meinte der Elsässer Thierry Krantzer, nach eigenen Worten "deutsch-französischer Kongolese" . Seit sieben Jahren arbeitet er als Presseattaché im Auftrag der UNO im Kongo, wo nach 30 Jahren Diktatur und Bürgerkrieg wieder eine funktionierende Infrastruktur aufzubauen ist. Dass die beiden großen europäischen Staaten Deutschland und Frankreich nach zwei Weltkriegen wieder in Frieden miteinander leben — das sei für die Kongolesen das überzeugendste Hoffnungsmodell für ihren eigenen Staat, sagte Thierry Krantzer, der sich nach 18-monatigem Kongo-Aufenthalt derzeit auf Heimaturlaub befindet.
Bürgermeister Rüdiger Ahlers zeigte sich beeindruckt von der Partnerschaft der badischen und der elsässischen Vereinigung: "Mit ihrem gemeinsamen Bemühen um den Frieden in Europa bauen Sie Brücken nicht aus Stein, sondern in den Herzen der Menschen."
M. Lange, 13.2.2008, BZ

 

Bürgerprotest am 7.2.2008 gegen Schrottschredder bei Nambsheim

Die Bürgerinitiative im elässischen Nambsheim (ADINE) "Association de Défense des Intérêts de Nambsheim et Environs" moblisiert erneut zu einer kleinen Protestaktion gegen den geplanten Schrottschredder im elssässischen Nambsheim, am 7. Februar um 13.30 Uhr vor der Präfektur
in Colmar vor der Präfektur in Colmar. Der BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein teilt die Befürchtungen der französischen UmweltschützerInnen. Auch der BUND ruft zu dieser geplanten Protestaktion auf! Hier der aktuelle Aufruf der Adine:


Im Augenblick sieht es düster aus. Südlich von Neuf Brisach, neben Nambsheim, ist eines der größten Industriegebiete im grenznahen Raum direkt neben dem Rheinseitenkanal vorgesehen. Die Firma Guy Dauphin Environnement möchte dort einen der drei größten Schrottschredder Europas (6000 PS) ansiedeln, der monatlich 32750t verschiedener Abfälle, vor allem - aber nicht ausschließlich - Altmetall, alte Fahrzeuge, Kühlaggregate und vieles mehr zermahlen soll. Sollte diese Anlage genehmigt werden, so folgen zweifellos weitere Industrieprojekte derselben Art. Wir stehen also am Beginn einer Industrialisierung und damit an einer grundlegenden Weichenstellung. Die Firma hat nun eine neue Verhandlung ihres Dossiers vor dem CODERST (
ein Komité verschiedener Entscheidungsträger , das über die Zulassung u.a. von Industrien berät) zugestanden bekommen.

Der CODERST versammelt sich am 7. Februar 08 in der Präfektur von Colmar. Wir versammeln uns dort auch um gegen die Zerstörung des Lebensraums am Oberrhein und gegen übertriebene Industrialisierung zu protestieren
1.2.2008, Newsletter bund.suedlicher-oberrhein@bund.net




Alsace Nature und BUND: Gerechtes-Stocamine Urteil wird erwartet

In wenigen Tagen wird das Urteil im Stocamine Prozess in Mulhouse erwartet. Bei diesem Urteil geht es um den mehrmonatigen Brand von "garantiert unbrennbarem" Giftmüll in der unterirdischen Giftmülldeponie im Elsass vor fünf Jahren. Verantwortung trägt die Firma Stocamine und deren damaliger Leiter. Er soll Mitarbeiter der Firma und der benachbarten elsässischen Kaliminen ohne geeignete Schutzkleidung gegen die hochgiftigen Dämpfe zur Bekämpfung des Unglücks in die Deponie geschickt haben.

Der Brand in der "modernsten" Deponie Frankreichs war am 10. September 2002 in 500 Metern Tiefe in einem Stollen des Lagers ausgebrochen, in dem sich 45.000 Tonnen Industrieabfälle befanden, darunter Zyanid, Asbest, Arsen, sowie chrom- und quecksilberhaltige Substanzen. Das Feuer konnte erst zweieinhalb Monate später gelöscht werden. Umweltverbände von beiden Rheinseiten hatten die "neue" Deponie schon im Planfeststellungsverfahren massiv kritisiert, waren aber nicht gehört worden. Die Umweltverbände wünschen jetzt ein gerechtes und angemessenes Urteil. "Eine Firma, die Menschen, Umwelt und Grundwasser in Gefahr bringt, sollte härter bestraft werden, als jemand der einige Altreifen in den Wald wirft." sagt BUND-Geschäftsführer Axel Mayer, , der gerade von einem französischen Gericht auch "Égalité" in der Rechtssprechung einfordert.
Yann Flory von Alsace Nature erinnert in diesem Zusammenhang an ein Skandalurteil aus dem Jahr 2006. Unbemerkt war 2002 bei der Rhodia in Chalampé die
unglaubliche Menge von 1200 Tonnen (!) Cyclohexan "ausgetreten" und teilweise ins Grundwasser versickert. Ein Funke hätte bei dieser Firma, in der auch große Mengen Blausäure verarbeitet werden, zur Katastrophe für Mensch und Rhein führen können. Im Jahr 2006 gab es dazu ein zutiefst ungerechtes Urteil. Nur 7500 Euro Bußgeld für 1200 Tonnen Cyclohexan im Grundwasser musste die Firma Rhodia in Chalampé bezahlen. Kleine Umweltsünder auf beiden Seiten des Rheins werden bei Umweltvergehen häufig hart bestraft. Die großen Umweltverschmutzer kamen bisher mit Geld und teuren Anwälten leider sehr häufig fast ungeschoren davon. BUND und Alsace Nature beklagen in diesem Zusammenhang eine Gerechtigkeitslücke, die beim anstehenden Stocamine-Urteil zumindest zum Teil geschlossen werden könnte. Hoffnung macht uns in diesem Zusammenhang das aktuelle "Erika-Urteil" des Strafgerichtshof in Paris. Endlich gab es auch einmal ein angemessenes Urteil gegen den Ölkonzern Total, einen großen Umweltverschmutzer.

18.1.2008
Yann Flory / Alsace Nature - Axel Mayer / BUND Regionalverband
Alsace Nature, 8 rue Adele Riton, F-67000 Strasbourg
BUND Regionalverband, Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg

 

Michel Gander in Muttersholtz: Der letzte Kelsch-Weber

Tradition in sattem Rot und Blau 

Zwischen Michel Ganders schweren Webstühlen riecht die Luft nach Leinenstaub. Feinste Fasern haben sich zu Wolken zusammengeschoben. Durch die milchigen Fensterscheiben fällt gedämpftes Licht. Neben den massigen Webstühlen wirkt der Mann wie ein Leichtgewicht, wenn er eine der sieben Maschinen einschaltet. In siebter Generation führt Michel Gander im elsässischen Muttersholtz ein Handwerk fort, das so selten geworden ist, dass er dessen letzter Vertreter ist. Gander fertigt Kelsch-Stoffe, jene in sattem Rot und Blau karierten Leinenstoffe, die in früheren Jahrhunderten zur Aussteuer jedes bäuerlichen Haushalts im Elsass gehörten. Kelsch: der Name leitet sich vom Farbstoff Kölnisch Blau ab. Denn zur Zeit Karls des Großen färbte man das Garn mit Farbstoffen aus Köln. Noch um 1850 lebten in Ebersheim, Baldenheim, Hilsenheim und Mutters holtz — allesamt Dörfer in der flachen Ried-Landschaft zwischen Sélestat und dem Rhein — noch an die hundert kleine Webereien. "Fast jeder hatte einen Webstuhl zu Hause stehen", sagt Gander. Wasser war so nahe am Rhein und dessen Nebenflüssen zur Genüge vorhanden, um den Flachs, aus dem Leinen gesponnen wurde, geschmeidig zu machen.
Aus der Arbeit nur am Wochenende ist über die Jahre ein Kleinbetrieb geworden. 15 Jahre hat es gedauert, ehe Gander von der Arbeit an den Webstühlen leben konnte. Sogar gegen seine Eltern musste er sich durchsetzen, als er 1977 als junger Mann aus Liebe zu diesem speziellen Stoff die alten Webstühle der Familie hervorholte. Sie hätten ihn lieber in einem einträglicheren Beruf gesehen. Am Webstuhl hantiert Gander meist allein. Gebügelt werden die Stoffe von einer Angestellten, die auch den Versand vorbereitet. 150 verschiedene Stoffe vertreibt Gander direkt in seinem 2007 eröffneten Verkaufsraum. Tischdecken in vielen Größen und Formen sowie Kissenbezüge sind auch in einschlägigen Geschäften im Elsass zu haben. Anfangs zeigten die Kunden ihm alte Stoffe als Vorgabe. "Sehr schnell haben sie aber nach anderen Mustern verlangt." Von der traditionell beschränkten Farbpalette und drei verschiedenen Webmustern der Anfangszeit hat sich Michel Gander weit entfernt und seine Stoffe modernisiert. Stoffballen und fertige Stücke leuchten in sattem Grün oder Gelb. Ungebleichtes Leinen schmücken feine Webstreifen oder Pastellkaros, die wirken, als habe sie die Zeit verblassen lassen. Seine Garne bezieht er aus Italien, denn aus dem Elsass sind die Spinnereiener längst verschwunden.
In der Werkstatt schieben die Kämme tackernd Querfäden auf die gewebte Fläche. In Millimeterschritten wächst sie in die Breite von bis zu drei Metern. Neben den Webstühlen liegen Berge von Lochkarten, über die der Webstuhl gesteuert wird. Wie Lochkarten und Webstühle zusammenhängen, lässt sich in einer Ausstellung neben dem Verkaufsraum besichtigen, die Gander mit alten Arbeitsgeräten aus Familienbesitz ausgestattet hat: Webstühle aus Holz und Gusseisen, die schweren Maschinen der 1970er Jahre, mit denen er arbeitet und denen nichts Nostalgisches anhaftet. Und im Bauerngarten hinter dem Laden dürfen sich Besucher in den warmen Monaten auf Stühlen niederlassen.
Bärbel Nückles, 16.1.2008, BZ

Localisée à Muttersholtz en Alsace, village de tradition textile, l’entreprise «TISSAGE GANDE » est la dernière entreprise à perpétuer le tissage traditionnel du kelsch alsacien en régio, tissu à base de lin utilisé traditionnellement pour la décoration des maisons paysannes dans la vallée rhénane et le linge de maison.
http://www.patrimoine-vivant.com/entreprises/fiche_entreprise.php?id=441

Tissage de Kelsch, Michael Gander
2 rue de l'Etang, 67600 Muttersholtz, Tel +33388851532, Michel Gander, lesganders@hotmail.fr 

 

Der Dialekt gerät ins Abseits

Dem Elsass fehlen alemannische Ausdrücke aus neuen Themenfeldern - und die Sportschau

Schon mal zwei Damen in einem Colmarer Café belauscht? Sofern das Alemannische im elsässischen Alltag heute noch existiert, geht es amüsante Vermischungen mit der französischen Hochsprache ein.
"Ganz einfach", sagt Jean-Daniel Zeter, "der Dialekt wird von der Hochsprache verschmutzt." Die Erosion des Deutschen im Elsass ist in den jüngsten Jahrzehnten mit riesigen Schritten vonstatten gegangen. Zeter, der heute bei der Schulbehörde in Straßburg für die Pflege der Regionalsprache in der Schule zuständig ist, hörte, als er 1975 in einer Grundschule unterrichtete, noch 85 Prozent der Kinder Elsässisch sprechen. Heute verstehen oder sprechen nicht einmal drei Prozent zum Zeitpunkt der Einschulung den regionalen Dialekt. Französisch hat als Landessprache die alemannische Mundart verdrängt. Selbst in Bereichen, die lange elsässisch dominiert waren, vermischen sich die Idiome bis zur völligen Verdrängung des Dialekts. "Vor allem fehlen Substantive aus neuen Bereichen, die mit Französisch ersetzt werden müssen", sagt Robert Ledermann, der an der Hotelfachschule in Gueb willer, dem Lycée Storck, Schüler fachbezogen auf Elsässisch unterrichtet. Beim Automechaniker heißt es häufig: "Ich will de pneu wechsle." Auf dem Fußballplatz, sagt Zeter, habe mitunter sogar das Englische das Deutsche ersetzt — also Corner statt Eckball. Denn die Zeiten, als links des Rheins die samstägliche Sportschau Pflicht war, sind lange vorbei. Und in mechanischen Berufen haben Beschäftigte oft einen Migrationshintergrund.

Jean-Daniel Zeter spricht aus Erfahrung, nicht zuletzt, weil er seit Jahrzehnten eine Mundart-Theatergruppe leitet. Kategorien wie Beruf und Klasse oder die Unterscheidung zwischen Stadt- und Landbevölkerung haben aus Sicht der Dialektforschung allerdings ausgedient. Arlette Bothorel-Witz arbeitet mit dem Begriff des Habitus. Seit 1987 leitet sie das Institut für Dialektologie an der Straßburger Universität. Wann und in welcher Form jemand den Dialekt gebraucht, sagt sie, hänge eher davon ab, ob sich der Betreffende etwas von dessen Verwendung verspricht. So berichtete ihr der Generaldirektor der elsässischen Niederlassung eines amerikanischen Konzerns in einem Interview, dass er mit seinen Mitarbeitern Elsässisch spreche. Mit dem Dialekt beweist der Chef Nähe zu den Angestellten. Manchmal ist Elsässisch die Umgangssprache zwischen Kollegen und oft genug noch die Sprache der Familie. Die Vermischung von Französisch und Alemannisch im Alltag folgt einem vergleichbaren Muster wie bei Immigrantenfamilien, die innerhalb der Familie ihre Herkunftssprache pflegen, nach Bedarf und je nach Thema jedoch die Sprache der neuen Umgebung einflechten — oder auch Verben aus beiden Sprachen zusammensetzen: "Er het sind Buech imprimiere lon" (Jean-Daniel Zeter).

Auf 30 bis 40 Prozent schätzen die Experten heute den Dialekt sprechenden Teil der elsässischen Bevölkerung — Tendenz fallend. Jean-Daniel Zeter denkt lieber an die sinnlichen Qualitäten des Dialekts: "Wenn Sie vom Umschalten beim Autofahren sprechen, dann hören sie das Geräusch, der französische Ausdruck ("passer les vitesses" ) klingt dagegen fast abstrakt."
Bärbel Nückles , 21.12.2007

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