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Infos ab Dezember 2007 zu Kirchen
im Breisgau/Hochschwarzwald
  

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 Blick nach Norden auf halbem Weg zwischen Birkendorf und dem Steinatal am 21.9.2006 um 18 Uhr 
Blick nach Norden auf halbem Weg zwischen Birkendorf und dem Steinatal am 21.9.2006 um 18 Uhr

 

Katholiken im Aufstand gegen den Hardliner vom Rhein, Kardinal Meisner

"Was hier in Bonn geschieht, ist einmalig und wohl erstmalig - Katholiken demonstrieren!" Stadtdechant Wilfried Schumacher, oberster Repräsentant der Bonner Katholiken, konnte es als Redner einer "Demo" an diesem Wochenende beinahe selbst kaum fassen, wie rebellisch seine links- und rechtsrheinischen Gemeinden geworden sind. .....
6.4.2011, DER SPIEGEL, www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,754956,00.html#ref=top

Wir Katholiken am Ennert sind engagierte Christinnen und Christen, die für mehr Mitspracherechte der Laien im Erzbistum Köln kämpfen. Ein Blick in andere Bistümer gibt uns Mut und die Hoffnung, dass sich auch im Erzbistum Köln das Verhältnis Amtskirche-Laien verbessern lässt. Wir suchen den Dialog mit dem Erzbistum Köln - nicht als Befehlsempfänger, sondern als Mitarbeiter, die auch in eigener Form Verantwortung tragen - ganz in dem Sinne, wie es der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, unter Berufung auf Papst Benedikt XVI gefordert hat (pdf-Dokument zum Nachlesen)
http://www.katholiken-am-ennert.de/

 

 

Trennung von Staat und Religion - Pfarrer trifft Atheist

Dekan Markus Engelhardt diskutiert mit Arno Ehret über die Trennung von Staat und Religion. Genießen die beiden großen Kirchen zu viele Privilegien im Staat? Der Sonntag lud den organisierten Atheisten, Arno Ehret, und den Dekan der evangelischen Kirche Freiburg, Markus Engelhardt, zum Streitgespräch.

Herr Engelhardt, Herr Ehret, die Grünen protestieren dagegen, dass der Papst im Bundestag eine Rede hält – aus Gründen der weltanschaulichen Gleichberechtigung. Hat die Partei mit ihrem Protest recht?
ENGELHARDT: Letztlich nicht. Weltanschauliche Neutralität eines Gemeinwesens heißt nicht, dass man Religionsführer, die in der Welt eine wichtige Rolle spielen, in ein Parlament nicht einladen soll. Mich würde interessieren wie viele, die jetzt im Bundestag protestieren, auch so reagiert hätten, wenn  der Dalai Lama eingeladen worden wäre.
EHRET: Die Frage lautet in der Tat: Bei welcher Person hört man auf? Der Bundestag ist das Parlament in Deutschland und sollte der religiösen Neutralität verpflichtet sein.
ENGELHARDT: Das überzeugt mich nicht. Der Papst wird sicherlich keine Predigt halten. Er wird allenfalls darauf hinweisen, dass unser Gemeinwesen jüdisch-christliche Wurzeln hat.
EHRET
: Ein großer Teil der Bundestagsabgeordneten gehört den christlichen Parteien an – dieses Gedankengut ist schon recht kräftig vertreten.

Immer häufiger setzen sich Menschen gegen Privilegien der großen Kirchen erfolgreich zur Wehr. Fürchten Sie einen weiteren Bedeutungsverlust der Kirchen?
ENGELHARDT
: Die Kirchen haben in den vergangenen Jahrzehnten einen Bedeutungsverlust erlitten – aus unterschiedlichen Gründen. Ob ich das befürchten muss, da bin ich mir nicht sicher. Wenn wir in die protestantische Kirchengeschichte schauen, dann hat eine zu enge Verquickung von Thron und Altar der Kirche nie gut getan. Deshalb bin ich relativ gelassen.

Wollen Sie eine striktere Trennung von Kirche und Staat?
ENGELHARDT
: Das nicht unbedingt. Ich finde unser bundesdeutsches Staatskirchenrecht gut. Weder Staatskirche noch ein radikaler Laizismus sind gute Alternativen.
EHRET
: In unserer pluralistischen Gesellschaft findet nicht nur ein physischer, sondern auch ein geistiger Austausch statt. So gibt es Deutsche, die zum Islam konvertieren – wozu sie das Recht haben, das übrigens gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft wurde. Diese Religionsfreiheit macht es aber unabdingbar, dass Staat und Religion mehr als heute getrennt werden müssen.
ENGELHARDT
: Mich ärgert, dass solche Schlagworte wie Privilegien unreflektiert benutzt werden. Kirchen leisten vor allem im sozialen Bereich Arbeit, die natürlich vom Staat mitfinanziert wird. Das tun die Kirchen schließlich auch für den Staat. Der Staat müsste viel mehr finanzieren, wenn Kirchen diese Aufgabe nicht leisteten.
EHRET
: Wie hoch ist denn die Eigenbeteiligung der Kirchen? Wie viel der Kosten für die regionalen katholischen Krankenhäuser trägt denn das Bistum Freiburg? Und was müssen die Krankenkassen und was das Land übernehmen? Ich bin nicht sicher, ob das Bistum überhaupt einen Beitrag an dieser gemeinnützigen GmbH übernimmt.
ENGELHARDT
: Ich kann nicht für die katholischen Krankenhäuser sprechen. Aber für die evangelischen Kindertagesstätten in Freiburg geben wir als Stadtkirche etwa 20 Prozent unseres Kirchensteuergeldes aus.
EHRET
: Es geht Ihnen dabei aber nicht nur darum, dem Staat Kosten zu ersparen, sondern auch um Glaubensvermittlung. In Stellenanzeigen ist regelmäßig zu lesen, dass die Mitgliedschaft in der entsprechenden Kirche Voraussetzung für eine Einstellung ist. Wo bleibt da der Gleichheitsgrundsatz? ENGELHARDT: Kirchen werden vom Staat als Tendenzbetriebe angesehen. Sie haben eine gewisse Autonomie, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln. Das ist legitim. Der Staat sagt: Wir reden den Religionsgemeinschaften in ihre inneren Angelegenheiten nicht rein. Im Stadtteil Vauban gibt es einen sehr hohen Anteil an Konfessionslosen. Dort haben wir unsere größte Kindertagesstätte – 70 Prozent der Kinder kommen aus konfessionslosen Familien: Die Eltern, die sich von der Kirche verabschiedet haben, bringen ihre Kinder offenbar guten Gewissens in eine Einrichtung mit christlichem Glaubensbild.
EHRET
: Haben die Eltern eine Auswahl? Wer keine langen Wege auf sich nehmen will, ist insbesondere auf dem Land sehr oft auf Kindergärten in konfessioneller Trägerschaft angewiesen.

Herr Engelhardt, auch die staatlichen Kirchengelderwerden infrage gestellt. Wie erklären Sie, dass nach über 200 Jahren der Staat noch die Gehälter von Bischöfen und Priestern bezahlt?
ENGELHARDT
: Die evangelische Kirche bekommt diese Gelder nicht. Es ist aber richtig, dass es solche Zuwendungen in erheblichem Umfang seit der Säkularisation kirchlicher Besitztümer 1803 gibt. Ich gebe zu, dass ich dabei ein ungutes Gefühl habe – die Zahlungen leisten auch der Kritik Vorschub. Es musste aber eine Zeit lang eine ausgleichende Gerechtigkeit geben.
EHRET
: Wenn ich es drastisch ausdrücke, dann sind die Zahlungen eine Frechheit. 200 Jahre nach dem Reichsdeputationsausschuss muss der Steuerzahler im 21. Jahrhundert immer noch für Staatsleistungen dieser Säkularisation aufkommen – das kann nicht sein. Zudem hat der Landtag 2007 beschlossen, die staatlichen Subventionen anwachsen zu lassen. Das ist skandalös. Überall wird gespart – nicht aber bei den Kirchen.
ENGELHARDT
: Ich behaupte, dass unser Sozialsystem in Schieflage geriete, wenn wir das Subsidiaritätsprinzip aufgeben würden. Die Abgeordneten, die diesen Staatsvertrag beschlossen haben, sind ja auch nicht alle besonders christlich. Die tun das auch aus einem vernünftigen politischen Interesse heraus.
EHRET
: Soziale Dienste müssen nicht zwangsläufig von einer Kirche erbracht werden – es gibt auch viele nichtkirchliche freie Träger. Einfach zu unterstellen, wenn sich die Kirche aus diesem Bereich zurückzieht, bricht das ganze System zusammen, halte ich für sehr gewagt.  
ENGELHARDT
: Die anderen freien Träger werden ja auch vom Staat unterstützt.

Sind die Kirchen nicht bequem geworden durch staatliche Privilegien wie die Kirchensteuer? ENGELHARDT: Da ist viel Wahres dran. Als große Volkskirchen sind sie sehr viel schwerfälliger als Freikirchen – was manchmal nachlassende Attraktivität mit sich bringt. Viele bevorzugen deshalb freie Kirchen, wo es sehr viel lockerer zugeht – obwohl die inhaltlich viel konservativer sind. Ich bin aus den oben genannten Gründen nicht für die Abschaffung des Kirchensteuersystems – sehe aber durchaus, dass wir ohne Kirchensteuer wohl etwas dynamischer und einfallsreicher wären.

Herr Ehret, die Teilnahme am Religionsunterricht ist freiwillig. Reicht Ihnen das nicht?
EHRET
: Nein. Es gibt ja nicht einmal einen allgemeinen Religionsunterricht, und auch keinen christlichen, sondern nur einen konfessionellen. Es wäre die Aufgabe der jeweiligen Kirche, ihre Kinder in ihrem Glauben zu unterweisen. Hier hat der Staat keinen Beitrag zu leisten. Für die Einrichtung muslimischer Lehrstühle fließen Millionen, andererseits klagen Eltern über Unterrichtsausfall infolge von Lehrermangel. Da tut sich für mich ein großer Widerspruch auf.
ENGELHARDT
: Ich bin für Wahlfreiheit. Verbindlicher Ethikunterricht hieße für mich, dass sich der Staat eine Werte vermittelnde Rolle anmaßen würde, die ihm nicht zukommt. Ich erinnere an das Diktum des Freiburger Verfassungsrechtlers Böckenförde, der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Es kann nicht sein, dass Politiker bestimmen, was Werte sind. Der Religionsunterricht soll übrigens nicht Glauben, sondern Wissen vermitteln.
EHRET
: Sie reden dem gemeinschaftlichen religionskundlichen Unterricht das Wort. Wie rechtfertigen Sie es da, dass es einen evangelischen und einen katholischen Unterricht gibt?
ENGELHARDT
: Weil sich die Konfessionen nicht nur in bestimmten Glaubensüberzeugungen unterscheiden, sondern in auch ausgeprägten unterschiedlichen Traditionen. Sie sagten zu Recht, dass die Religionsfreiheit gegen die Kirche erkämpft wurde – das gilt aber in erster Linie für die katholische Kirche. Aufklärung wäre ohne die Reformation und ihre Entdeckung der Freiheit des Individuums nicht denkbar gewesen.
EHRET
: Wäre es nicht spannend, wenn Kinder aus verschiedenen Kulturen – mit und ohne konfessionelle Bindung – zusammen über diese Fragen sprechen könnten?
ENGELHARDT
: Ich gebe Ihnen in der Sache recht, ohne die Konsequenz daraus zu ziehen, den bisherigen Religionsunterricht abzuschaffen. Das von Ihnen angesprochene Modell wird teilweise schon praktiziert.
EHRET
: Ich stelle auch infrage, dass Kirchen per se Wertegemeinschaften sind – es sind eher Gemeinschaften von Menschen, die ein gemeinsames Gottesbild haben. Über deren Werte kann man unterschiedlicher Meinung sein. Wenn etwa aus dem islamischen Kulturkreis Ehre oder Jungfräulichkeit als sehr hoher Wert gehandelt wird, frage ich mich, ob sie in der Gesellschaft den gleichen Raum einnehmen sollen wie in diesen Gemeinschaften. Ich sage: nein.
ENGELHARDT
: Bei Letzterem gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Auch zwischen evangelischer und katholischer Kirche gibt es verschiedene Akzentuierungen. Aber ich behaupte Artikel 1 des Grundgesetzes, die Würde des Menschen ist unantastbar, kommt aus biblischer Tradition. Diese Grundlage kann ein säkulares Gemeinwesen nicht aus sich selbst heraus ziehen.

Wo stehen die beiden großen Kirchen in 20 Jahren?
ENGELHARDT: Sie werden weiter Mitglieder verlieren. Und keiner kann garantieren, dass wir die staatskirchlichen Regelungen 2030 noch haben. Die evangelische Kirche stellt sich bereits heute darauf ein. Es kann auch sein, dass wir einen nichtchristlichen Bundeskanzler haben, was Auswirkungen auf das Verhältnis Staat – Kirche haben könnte. Die Kirchen werden aber auch in 20 Jahren ein ganz wichtiges Element im Sozialstaat sein.
EHRET
: Das lässt sich nicht voraussagen. Betrachten wir doch nur einmal den Ausländeranteil unter den Grundschülern. Wenn diese Kinder erwachsen werden, wird das auch unsere Gesellschaft verändern – in welche Richtung auch immer. Denkbar sind mehr Fundamentalismus oder mehr Säkularisierung.

Das Gespräch führte Klaus Riexinger, 26.12.2010, www.der-sonntag.de

Über die Hälfte der Freiburger geht an Weihnachten in die Kirche

Alle Jahre wieder an Weihnachten ist es das gleiche Bild: Während den Rest des Jahres die Kirchen reichlich freie Plätze aufweisen, platzen sie an Weihnachten aus allen Nähten. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) bestätigt das: Insgesamt 51 Prozent der Befragten gehen demnach an Weihnachten in die Kirche. Während von den evangelischen Befragten 59 Prozent ein Gotteshaus aufsuchen, sind es bei den Katholiken stramme 69 Prozent. Von den Konfessionslosen geben immerhin 21 Prozent an, einen Gottesdienst zu besuchen.  Georg Auer von der Pressestelle der Erzdiözese Freiburg bestätigt: „Egal, in welche Kirche sie an Weihnachten schauen, die Kirchen sind alle voll.“ Für die Christmette, die an Heiligabend um 22 Uhr im Freiburger Münster gehalten wird, werden 1.000 Gottesdienstbesucher erwartet. Sitzplätze gibt es aber nur für 800. Auch andere Gemeinschaften wie die evangelische oder beispielsweise die neuapostolische Kirche verzeichnen deutlich mehr Gottesdienstbesucher als normalerweise.

Claudius Stoffel, Dompfarrer, wird in diesem Jahr zum fünften Mal im Münster die Christmette halten. Seit Wochen schon bereitet er sich darauf vor und beschäftigt sich mit der Frage, was die Weihnachtsbotschaft, die übrigens auch im Koran steht, für die Menschen heute bedeutet: „Es ist eine besondere Freude, an der Christmette teilzunehmen, und es ist wunderschön, dass viele Menschen da sind“, sagt er. Jedes Jahr sei es anders, da sich ja der Kontext, in dem die Menschen lebten, auch ändere. Dass an Weihnachten besonders viele Menschen in die Kirche kommen, die sonst nicht dorthin gehen, liegt für den Dompfarrer an der Besonderheit des Heiligen Abends, mit dem viele auch Erinnerungen und Erfahrungen verbinden würden. „Was früher Jahre dauerte, geschieht heute in Minuten. Da wollen Menschen Dinge wie die Weihnachtsgeschichte hören, die sich nicht verändern. Sie wollen Vertrautes erleben.“ Der Heilige Abend sei, so Stoffel, ein „emotional geladener Abend“. So emotional, dass manch einer damit überfordert sei. Ob jemand kirchlich distanziert sei oder nicht, spiele für ihn besonders an Weihnachten, aber auch sonst keine Rolle, versichert Stoffel. Alle seien in der Kirche willkommen.
Michael Ebertz, Professor für Soziologie an der Katholischen Hochschule Freiburg, hat einen Bedeutungswandel des Weihnachtsfestes ausgemacht. Für viele würde nicht mehr die christliche Botschaft im Mittelpunkt stehen, sondern die Familie, was sich an den vielen Geschenken belegen lasse. Und die Familie lasse sich besser in einer Kirche als im Wohnzimmer feiern, so Ebertz. Deswegen hätten auch vor allem Alleinlebende ein Problem mit den Feierlichkeiten.

Wie viele andere Menschen auch hat sich Claudius Stoffel vorgenommen, die Ruhe des Tages zu genießen – und traditionell die Krippe, die noch von seinen Eltern stammt, aufzubauen. Nach der Christmette werde er die Begegnungen mit Jugendlichen, Ministranten und der Gemeinde genießen. Nachdem die katholische Kirche in diesem Jahr einige, so Stoffel, „dunkle Seiten“ gezeigt habe, steht das kommende Jahr im Zeichen des Papstbesuches. Neben der Freude auf dieses Großereignis für die ganze Stadt würden die Skandale der Vergangenheit aber nicht einfach weggejubelt. Man wolle sich bemühen, ein guter Gastgeber für Papst Benedikt zu sein, so der Dompfarrer. Er selbst habe sich für das neue Jahr vorgenommen, die Menschen, denen er im nächsten Jahr begegnen würde, ernster zu nehmen und noch genauer hinzuhören, was sie bewege, verrät Stoffel.               
23.12.2010, Nils Kickert, www.stadtkurier.de

 

David Berger über Rechtsradikale in der katholischen Kirche

Der Theologe David Berger beschreibt in seinem Buch "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche" die zunehmende Irrationalisierung innerhalb der katholischen Kirche und den Rechtsradikalismus katholischer Eliten, mit denen er als Lehrer unter anderem im Bistum St. Pölten und als Gastredner an der Opus Dei-Universität in Pamplona, als Professor der Päpstlichen Thomas-Akademie sowie als Zensor der Päpstlichen Glaubenskongregation (der Nachfolgebehörde der Römischen Inquisition) und als Herausgeber der traditionalistischen katholischen Zeitschrift "Theologisches" persönlich konfrontiert war.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass sich viele Homosexuelle gerade von der Ästhetik der alten, traditionellen Liturgie angezogen fühlten. Können Sie uns diese Ästhetik kurz beschreiben?
David Berger: Der Schweizer Theologe und Journalist Michael Meier hat im Züricher Tagesanzeiger (www.tagesanzeiger.ch) die Ausführungen meines Buches treffend zusammengefasst: Kein weibliches Wesen trübt das Bild dieser reinen Männerwelt. Die traditionsorientierten Kleriker sind über Hand- und Fußküsse oder rituelle Fußwaschungen zärtlich miteinander verbunden. Hier können sie ihre Leidenschaft für Brokat, Brüsseler Spitzen, Quasten und Schleppen ausleben. Berger zufolge liegt der gewerbsmäßige Handel mit kirchlichen Gewändern fest in homosexueller Hand. Vom vornehm parfümierten Traditionalismus des Schriftstellers Martin Mosebach hat er gelernt, dass es in der alten Messe um pure Ästhetik geht, um ein l'art pour l'art, wie sie die homoerotisch empfindende Literaten Gustave Flaubert, Charles Baudelaire, Oscar Wilde oder Stefan George kultivierten. Diese ist im Außermoralischen, im nutzlos Schönen angesiedelt wie die homoerotische Liebe selber, deren Folgenlosigkeit in Form der Kinderlosigkeit die Kirche allerdings verdammt. Homosexuellen Priestern, die ihre Sexualität nicht ausleben können, gelingt über die Ästhetik der traditionellen Männerliturgie eine Sublimierung ihrer erotischen Gefühle: Verbotene Triebwünsche werden in kultisch anerkannte Verhaltensweisen umgelenkt. So erklärt Berger auch die militante Homophobie der Ästheten im traditionalistischen Lager.
....
20.12.2010, "Vom Weltjudentum gesteuerte Attacke auf Kirche und Papst" (Reinhard Jellen)
Interview mit David Berger über Rechtsradikale und Radikalkonservative in der katholischen Kirche
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33835/1.html

 

 

Der Papst kommt im September 2011 nach Freiburg

Freiburg freut sich
Oberbürgermeister Dieter Salomon in einer ersten Stellungnahme: "Die Stadt und die Freiburger Bürgerschaft freuen sich von ganzem Herzen auf den angekündigten Besuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011. Für Freiburg ist der Besuch eine einzigartig Ehre und Auszeichnung!" Auf die Frage der KNA, ob er damit rechnet, dass es in Freiburg auch kirchenkritische Stimmen zum Papstbesuch geben wird, sagte Salomon: "In Freiburg gibt es immer an allem Kritik, man kann keinen Zebrastreifen ohne Widerspruch einrichten. Also wird es sicher auch beim Papstbesuch Kritik geben. Aber ich denke, dass wird die katholische Kirche ganz souverän meistern."
19.11.2010

Die Zukunft der Kirche

Manche mögen es sich gestern beim Lambertusfest inständig gewünscht haben: Möge sich der Zustand der Kirche doch möglichst rasch dem Namen des Freiburger Stadtpatrons annähern, der "leuchtendes Land" bedeutet. Denn die Wirklichkeit sieht düster aus: Das Ausmaß sexualisierter und körperlicher Gewalt ist unglaublich; Kirchenobere entfernen sich immer weiter vom Kirchenvolk, das ihnen den Rücken kehrt; zu viele Lehrsätze und zu wenig Liebe. Es herrscht Finsternis in der Kirche des heiligen Lambert. Zu dessen Festtag nicht nur an diesen Bischof zu erinnern (der sich der Staatsgewalt widersetzte und in ihrem Auftrag gemeuchelt wurde), sondern auch die Zukunft der Kirche in den Blick zu nehmen – das war deshalb eine gute Idee des Münsterpfarrers. Allerdings: Welche Zukunft kann da schon herauskommen, wenn über sie ausschließlich Männer zornig oder bedächtig diskutieren (und dabei in Worten verharren)? Es sind doch vorwiegend Frauen, die die Kirchen beleben, die den Glauben weitergeben, die sich ehrenamtlich engagieren, die im Alltag erfahrbar machen, dass christlicher Glauben Gestalt annimmt, indem er Menschen zum Leben hilft, die ausgegrenzt werden. Vielleicht würde ja sogar der Stadtpatron Lambertus heute sagen: Ohne Frauen wird es der Kirche schwerlich gelingen, ein "leuchtendes Land" zu werden.  
Gerhard Kirk, 20.9.2010, www.badische-zeitung.de

 

IFP-Aufsichtsrat frustriert: Rücktritte aus Protest gegen die Bischöfe

Ein papstkritischer Rundfunkpfarrer zieht sich auf bischöflichen Druck aus der Leitung des katholischen Instituts zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IFP) zurück – und bleibt nach Informationen der Badischen Zeitung nicht allein. Am Sonntag legt der Geistliche Direktor der Münchner Journalistenschule, Pfarrer Michael Broch (67), sein Amt nieder. Mit sofortiger Wirkung ist auch der langjährige IFP-Aufsichtsratsvorsitzende, der Hörfunkdirektor des SWR, Bernhard Hermann, von seinen Ehrenämtern in der katholischen Kirche zurückgetreten. Andere Mitglieder des Aufsichtsrats erwägen diesen Schritt. Mit einem sehr papstkritischen Interview Mitte Mai in der Leonberger Kreiszeitung hatte der Rottenberger Diözesanpriester, der einst bei Joseph Ratzinger sein Examen abgelegt hat, auch Entrüstung im Münchner Institut erregt. "Fürchterlich" betroffen von den vielen bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche, hatte Broch das geschlossene System der "Männerwirtschaft" und bischöfliche "Bunkermentalität" kritisiert und gesagt: "Wenn es so weitergeht, fährt Papst Benedikt die Kirche an die Wand." Nach interner Missbilligung hatte sich Broch kurz darauf entschuldigt. Allein der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann schloss sich ausdrücklich dem einstimmigen Votum des IFP-Aufsichtsrats an, Broch im Amt zu belassen. Gestern ließ Hermann nun die Bischöfe wissen, dass sein Vertrauensvorrat erschöpft sei. Der BZ sagte Hermann: "Wenn Bischöfe sich in ihrer Mehrheit als Repräsentanten eines gnadenlosen Systems gerieren, will ich mit denen als katholischer Christ nichts mehr zu tun haben." Gestern teilte die Deutsche Bischofskonferenz offiziell den Rücktritt Brochs mit. Es gibt Anzeichen, dass ihr Vorsitzender selbst zu einem anderen Urteil gekommen ist. In der Pressemitteilung heißt es, Robert Zollitsch hoffe, "dass man die Beweggründe der Bischöfe als auch von Pfarrer Broch auch dann respektieren werde, wenn man sie persönlich nicht für schlüssig hält".  
14.8.2010, www.rnz.de

Katholisches Instituts zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IFP) in München
http://www.ifp-kma.de/
 

Beanstandetes Interview von des IFP-Leiters Pfarrer Michael Broch vom 22.5.2010

Grüß Gott, Herr Broch. Sind Sie als Rundfunkpfarrer ob ihrer offenen Worte nun nach oben befördert worden? Als geistlicher Direktor einer Journalistenschule?
Das ifp (Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchs) ist eine wichtige und angesehene Bildungseinrichtung unserer Kirche, ich sehe mich da keinesfalls als Frühstücksdirektor. Außerdem habe ich ganz klar gesagt, dass ich unbedingt weiter auf Sendung gehen will - das ist meine Leidenschaft.
Zuletzt haben Sie vom ökumenischen Kirchentag das Wort zum Sonntag gesprochen. Eine Woche vorher über Europa.
Es geht darum, keine Rundfunkpredigt zu halten, auch das Wort zum Sonntag oder unsere Radiobeiträge sind religiöse Sendungen mit journalistischen Maßstäben. Mein Leitmotiv, dass ich an andere Pfarrer weitergebe: Wenn ihr was zu sagen habt, dann erzählt doch eine Geschichte. Mir ist wichtig, dass wir eben nicht missionieren.
Sie haben vom Kirchentag aus vorsichtige Töne angeschlagen, sprachen von Bescheidenheit und Mitgefühl, das die Kirche Anderesdenkenden gegenüber zeigen müsse. Wie geht es einem katholischen Priester angesichts der Turbulenzen um Missbrauchsfälle - und vor allem dem Umgang der Amtskirche damit?
Das betrifft einen fürchterlich. Derzeit wird auch alles durcheinander geschmissen, der Zölibat ist gewiss nicht die Ursache für Pädophile, die wiederum eine Krankheit ist. Mittlerweile muss ich mir die Frage stellen, ob ich einem Ministranten noch die Hand geben darf. Doch die Frage ist nun auch, wie fähig die Kirche sein wird, sich zu verändern. Das System Kirche darf nicht von ein paar zölibatären Männern beherrscht werden. Es gibt neben dem Zölibat noch andere Lebensmodelle - wir müssen da offener werden.
Als "wir" Papst wurden, war die Euphorie über Benedikt XVI. groß. War die Erwartungshaltung überzogen?
Ein Kardinal Ratzinger war nie liberal. Er kommt aus einer kirchlichen Bischofshierachie heraus, deren Bunkermentalität auffällig ist. Wenn ein Bischof nach draußen geht, zu Altarweihen, Festgottesdiensten, dann wird ihm doch nur zugejubelt. Ich habe bei Professor Ratzinger und bei Professor Küng mein Staatsexamen in Tübingen abgelegt. Während der Küng schon immer seine eigene Art pflegte, waren für Ratzinger die Kirchenväter das große Thema. Ich denke, das zeigt doch einiges.
Was zeigt es?
Ich habe keine Angst um die Kirche. Aber unser derzeitiges System hält sich so nicht. Wer sind wir denn, mit einer völlig antiquierten Sexualmoral? Das gefährliche an der katholischen Kirche ist das geschlossene System, die Männerwirtschaft. Das Priesteramt ist häufig für junge Neoklerikale interessant, die schon im Studium gerne mit dem römischen Kragen rumrennen würden. Den müsste ich gerade im Staatstheater im Kostümfundus holen. Wenn es so weitergeht, fährt Papst Benedikt die Kirche an die Wand!
Das sind harte Worte. Fürchten Sie da nicht den langen Arm Roms?
Sie werden lachen: Ich bin loyal, auch wenn ich motze. Und dann habe ich natürlich als Medienpfarrer mehr Freiheiten - denn meine Kirchenbezirke aus Rottenburg, Freiburg und Mainz haben Respekt vor der Pressefreiheit. Vielleicht steigt in mir manchmal der Zorn der alten Männer hoch? Je älter ich werde, desto liberaler werde ich.
Ist eigentlich die katholische Kirche allein der Papst? Es gab doch auch südamerikanische Befreiungstheologen und Arbeiterpriester und Schwestern der Barmherzigkeit. . .
Die Gleichzeitigkeit der Dinge ist in der Tat ein Trost. Im Mittelalter gab es die Kreuzzüge - aber zugleich auch den heiligen Franziskus. Wir erleben derzeit, wie sich Opfer von Missbrauchsfällen zu Wort melden - und auf der anderen Seite gibt es das Don-Bosco-Werk, das gerade Prostituierten und missbrauchten Frauen einen Schutzraum bietet.
Was ist also ihr Trost, wenn Sie gerade auf Ihre Kirche schauen?
Ich bin Ökonomiker. Und gerade die Ökumene geht mir viel zu langsam, die Kirche ist da viel zu verbeamtet - ich hoffe auf schnellere Aufbrüche. Vielleicht ist das die Chance in der Krise.

Interview von Michael Schmidt mit Pfarrer Michael Broch, Geistlicher Leiter des "Instituts zur Förderung des Publizistischen Nachwuchses" IFP in München
22.5.2010, Leonberger Kreiszeitung, www.stuttgarter-zeitung.de

 

Es herrscht Gläubigenmangel, nicht Priestermangel

Mit Pastoralassistenten wird ein Parallelklerus aufgebaut, der Priesterberufungen verhindert. Es ist nicht mehr klar, warum man Priester werden sollte. Mit der Funktionärs-Gegenhierarchie schießt man sich in eigene Bein.
1960 bei zwölf Millionen Kirchgängern waren in Deutschland 15 500 Priester in der Seelsorge tätig.
2008 gab es bei zwei Millionen Kirchgängern 8100 Priester.
Es fehlen die Gläubigen.
BZ-Leserbrief vom7.8.2010 von Hermann F. Schillerwein, Bad Säckingen

 

 

Erzbistum Freiburg durchleuchtet 43 des Missbrauchs Verdächtige

Nach Missbrauchs- und Gewaltvorwürfen nimmt das Erzbistum Freiburg mehrere ihrer Priester unter die Lupe. Derzeit werden Vorwürfe gegen insgesamt 43 Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter untersucht. Sechs Fälle gelten als abgeschlossen, teilte das Erzbistum Freiburg mit. Die Vorwürfe beziehen sich nach Angaben eines Sprechers fast nur auf die Jahre 1950 bis 2000. Neben sexueller Übergriffe gehe es um entwürdigende und gewalttätige Erziehungsmethoden. Wie das Bistum erklärte, richten sich diese Vorwürfe überwiegend gegen Priester. Zwölf der Beschuldigten seien bereits gestorben. In elf Fällen habe die Diözese die jeweils vor Ort zuständigen Staatsanwaltschaften eingeschaltet. Sie habe diese auch über Anzeigen informiert, die sich auf mutmaßlich verjährte Taten oder auf verstorbene Beschuldigte beziehen. "Wir kommen bei der Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe aus zurückliegenden Jahrzehnten voran", hieß es in einer Erklärung der Diözese. "Wir haben aus Fehlern und Versäumnissen gelernt. Bei einer selbstkritischen Prüfung des bisherigen Vorgehens bei Verdachtsfällen und der Prävention ist deutlich geworden, wo es Lücken oder Verbesserungsmöglichkeiten gab." Neben der Aufklärung sei das wichtigste Ziel, sexuelle Übergriffe künftig zu verhindern. Hierzu seien Konzepte erarbeitet worden. Zudem sei die Kommission zur Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen durch unabhängige Experten verstärkt worden. Unter der Führung der früheren baden-württembergischen Sozialministerin Barbara Schäfer-Wiegand (SPD) engagierten sich auch Psychologen und Psychotherapeuten.
22.5.2010, www.rnz.de

 

2711 Austritte in Erzdiözese Freiburg im März - Sorgentelefon

Immer mehr Katholiken treten aus der Kirche aus. Nun installiert das Erzbistum Freiburg ein Sorgentelefon. Dort werden auch Verbesserungsvorschläge entgegengenommen. Die Kirche wolle mit ihren Gläubigen ins Gespräch kommen, teilte die zweitgrößte deutsche Diözese in Freiburg mit. Am Dienstag starte das Erzbistum ein neues Info-Telefon 0761/2188-980. Es stehe Gläubigen offen, die einen Kirchenaustritt erwägen oder bereits vollzogen haben. Zudem werden Internetseiten geschaltet, auf denen über den Kirchenaustritt diskutiert werden kann. "Wir bieten allen, die jetzt vielleicht emotional aufgewühlt durch den Missbrauchsskandal unsere Kirche verlassen haben oder sich diesen Schritt überlegen, persönliche Gespräche an", sagte Generalvikar Fridolin Keck. Die Kirche reagiere damit auf eine Welle von Kirchenaustritten. Im April hätten allein 2947 die Kirche des Erzbistums Freiburg verlassen, dies waren 2199 Austritte mehr als im April des Vorjahres. Im März dieses Jahren waren 2711 Katholiken ausgetreten – 1653 mehr als im März des Vorjahres. Auch in anderen Diözesen wie Augsburg oder Rottenburg-Stuttgart sollen die Kirchenaustritte extrem zugenommen haben. Die Erzdiözese Freiburg wolle durch die neuen Dialog-Angebote deutlich machen, dass es ihr nicht gleichgültig sei, wenn Menschen die Kirche verließen, sagte ein Sprecher. Wer aus der katholischen Kirche austrete, solle künftig nicht nur wie bisher ein Schreiben des Pfarrers, sondern auch die Möglichkeit bekommen, der Erzdiözese die Gründe dafür zu nennen und Verbesserungsvorschläge zu machen.
Info-Telefon ab 11.5.2010 zwischen 9 und 16 Uhr: 0761/2188-980
http://www.erzbistum-freiburg.de/html/aktuell/aktuell_u.html?

 

Die katholischen Mitchristen sind nicht zu beneiden

Unsere katholischen Mitchristen sind wirklich nicht zu beneiden.

Sie gehören einer Kirche an, für die es ein größeres Verbrechen ist, wenn einer ihrer Priester einem Protestanten die Eucharistie spendet, als wenn er sich an Kindern vergeht!


Denn wer als Priester Kinder sexuell missbraucht hat, beging ja nur eine "Sünde", die schnell vergeben werden konnte. Als der Priester Hasenhüttl jedoch auf dem Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin Nicht-Katholiken die Eucharistie reichte, wurde er vom Priesteramt suspendiert – vom damaligen Chef der Glaubenskongregation (vormals: Inquisition), Joseph Ratzinger.
Es gibt im Weltbild der offiziellen (!) römischen Kirche kein größeres Verbrechen als freie Meinungsäußerung und Lehr-Abweichungen von Rom. Und diese werden dann brachial geahndet: Hunderte von lateinamerikanische Befreiungstheologen, die sich für Gerechtigkeit engagiert und ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, wurden mundtot gemacht, die Theologen Eugen Drewermann und Hans Küng, die es im Gegensatz zu Bischöfen und Kardinälen schaffen, christlichen Glauben in der Moderne neu zum Leben zu bringen, wurden ihre Lehrerlaubnis entzogen. Hätte Ratzinger/Benedikt diesen Einsatz auch beim Thema Kindesmissbrauch gezeigt, würden sich viele meiner katholischen Freunde jetzt nicht ernsthaft überlegen, aus der Kirche auszutreten.
"Papst" kommt von lateinischen Wort "Papa" und bedeutet "Vater". Jesus ermahnte vor 2000 Jahren alle Möchtegern-Würdenträger: "Nennt euch niemals ‚Vater‘! Einer ist euer Vater: Gott." Hätte Jesus es deutlicher ausdrücken können, was er von einem Papst-Titel gehalten hätte? Ich weiß nicht, was Ihrem Autor Jens Schmitz durch den Kopf ging, als er schrieb, Benedikt könne "überzeugend von Liebe sprechen" und "ohne Druck für seinen Glauben werben" – wo er als Papst allen nicht-katholischen Christen ihr Kirche-Sein abspricht und das Heil nur in seiner eigenen Kirche reklamiert. Tiefstes Mittelalter, voraufklärerisches Denken, pures Machtgebaren lassen hier grüßen. Nein, unsere katholischen – aufgeschlossenen – Mitchristen sind nicht zu beneiden. Sie werden mir zustimmen: Nicht: "Wir sind Papst". Sondern: "Wir sind alle Stellvertreterinnen und Stellvertreter Christi"!  
BZ-Leserbrief vom 23.4.2010 von Frieder Weis, ev. Theologe, March

In der Schwesterkirche sind zwei Bischöfinnen zurückgetreten
Als Katholiken und aktiv an der Basis Mitarbeitende schmerzt uns das Verhalten unserer Kirchenleitung in der Auseinandersetzung um die Missbrauchsfälle zutiefst. Wo sollen wir hier "die Demut, die rückhaltlose Aufklärung und die Sorge um die Opfer" erkennen, die unser Erzbischof Zollitsch immer wieder beschworen hat? Leider wurde vom Ordinariat immer nur das zugegeben, was sich nicht mehr verheimlichen ließ. Ist das ein anderes Verhalten als das, was uns zur Genüge von Politikern und Managern vorgeführt wird, denen es anscheinend auch schwer fällt, sich zu "erinnern"? Oder geht es in der Kirche wie in der Welt nur um Machterhalt, um ein vordergründiges Image anstatt um die Menschen ? Jesu Worte waren hart, wenn es um unverantwortlichen Umgang mit Kindern ging! Uns war es immer wichtig, dass wir und unsere Kinder und Enkel mit der Kirche verbunden bleiben. Wir verstehen uns als Teil dieser Kirche. Damit sie nicht völlig ihre Glaubwürdigkeit verliert, wäre es hilfreich, wenn der Erzbischof seine Verantwortung für diese Diözese wahrnehmen und die nötigen Konsequenzen ziehen würde. In unserer Schwesterkirche haben zwei Bischöfinnen bei weniger schwer wiegenden Vorfällen das getan und neuen Respekt erhalten! Wir erwarten auch von einem Bischof nicht, dass er fehlerfrei ist. Aber wir erwarten den Mut zur Wahrhaftigkeit und entsprechendes Verhalten.  
14.8.2010, Zita und Lothar Heitz, Buchenbach

 

Sexueller Mißbrauch: Wie steht es um den Glauben der Bischöfe?

Ein besonders wichtiger Aspekt wird fast völlig übergangen: Die Kirche lehrt, dass wir täglich von Gott beobachtet werden. Wir werden angeleitet, zu Gott um Hilfe bei täglichen Problemen zu bitten und sollen Sünden bereuen und in der Beichte gestehen, um eine Vergebung der Sünden mit Hilfe der Absolution des Priesters zu erhalten. Wie muss man nun den Glauben der Priester beurteilen, die nach ersten Verfehlungen wissen, dass sie ein schweres Problem mit ihrer pädophilen Neigung haben und sich dennoch weiter dem Umgang mit Jugendlichen aussetzen, diesen sogar suchen? Wie muss man den Glauben von Bischöfen beurteilen, die Priester nach schweren Verfehlungen stillschweigend versetzen ließen, wohl wissend oder in Kauf nehmend, dass sie an einer neuen Stelle ihre widerwärtigen Handlungen fortsetzen konnten? Wie steht es um den Glauben der Bischöfe und Kardinäle in der Kongregation für die Erhaltung des Glaubens, die in Rom von derartigen Fällen aus aller Welt erfuhren und das Verhalten der Ortsbischöfe duldeten? Glauben die führenden Bischöfe und Kardinäle überhaupt daran, dass Gott sie täglich beobachtet und beurteilt? Es ist erstaunlich, dass die Frage des Glaubens der in diese Vorgänge verwickelten Priester und besonders der Bischöfe in der Diskussion nicht auftaucht. Fühlen auch sie sich von Gott beobachtet, glauben ihre Amtsbrüder daran, oder gibt es gar eine nicht unbeträchtliche Anzahl von kirchlichen Würdenträgern, die nur ihr Amt auf Erden so gut wie möglich erfüllen, sich aber vor einer letzten Instanz gar nicht verantwortlich fühlen? ....

Gesamten Kommentar von Eicke R. Weber, Direktor des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme in Freiburg, vom 9.4.2010 bitte lesen auf
www.badische-zeitung.de/kommentare-1/wie-steht-es-eigentlich-um-den-glauben-der-bischoefe--

 

Finanzielle Verflechtung von Kirche und Land Baden-Württemberg

Wussten Sie, dass... die Kirchen und Religionsgemeinschaften von der Grundsteuer befreit sind?
Grundsteuerfrei sind nicht nur die Wohnungen von Bischöfen, Priestern und Kirchendienern, sondern auch der übrige, riesige Grundbesitz– der gesamte land- und forstwirtschaftliche Besitz der Kirchen sowie ihre innerstädtischen Grundstücke– bis hin zu den von den Kirchen verpachteten Gaststätten!
Ferner genießen die Kirchen Vergünstigungen im Kosten- und Gebührenrecht und sind vor der gesetzlich zulässigen Enteignung kirchlicher Liegenschaften geschützt.
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... die Kirchen aufgrund von Verträgen aus dem 19. Jahrhundert Anspruch darauf haben, dass der Staat die Kosten für den Bau und die Instandhaltung vieler Pfarrhäuser und Kirchen trägt?
Dem Land Baden-Württemberg – und damit allen Steuerzahlern! – obliegt die Baulast an rund 1100 „kirchlichen Lastengebäuden“, davon sind 533 bewohnte Pfarrhäuser. Allein die Sanierung für die Kirche St. Johann in Freiburg kostete 2,65 Millionen Euro; davon musste das Land 2,09 Millionen Euro tragen, die Kirche nur 7,5%.
.....
Auszüge aus einem Flugblatt des Freiburger Regionalverbands, 12. Dezember 2009
http://www.ibka.org/node/933

 

 

Hubertusmessen: Schutzpatron von Natur und Umwelt -Jagdhornbäser

Der 3. November ist St. Hubertus gewidmet, dem Schutzpatron der Jäger, Hunde, Natur und der Umwelt. Wie landesweit zu dieser Zeit üblich, finden auch im Freiburger Raum alljährlich festliche Gottesdienste statt, in denen die Jäger gemeinsam mit der Bevölkerung den Namenstag dieses Patrons feiern. Diese so genannten "Hubertusmessen" werden musikalisch von Jagdhornbläsern zusammen mit oder auch anstelle der Kirchenorgel begleitet. Oft werden die Kirchen in besonderer Weise geschmückt, zum Beispiel mit Laub aus dem Wald. So findet in diesem Jahr am Samstag, den 7. November, im Breisacher Stephansmünster um 18 Uhr eine Hubertusmesse unter Begleitung der Freiburger Jagdhornbläser statt. Das "Flaggschiff" der Freiburger Bläsergruppen musiziert ausschließlich mit großen, so genannten Parforcehörnern in Es.
Am Sonntag, 8. November, um 10 Uhr umrahmen dann die Jagdhornbläser des Hegeringes Dreisamtal eine Hubertusmesse in der Pfarrkirche von St. Peter. Mit kleinen, so genannten Fürst-Pless- und großen Hörnern zusammen bietet diese Bläsergruppe Musikstücke in B dar als auch nur mit Parforcehörnern Stücke in Es. Die Liturgie gestaltet Vikar Stefan Meisert. Die Hubertuslegende nimmt eine zentrale Stelle in der Tradition der Jagd ein. Hubertus wurde um 655 als Sohn des Herzogs Bertrand von Toulouse geboren. Der Legende nach starb seine Frau im Kindbett, worauf er in weltlichen Vergnügungen seinen Schmerz zu vergessen suchte. Als Hubertus an einem Feiertag jagte, soll ihm ein Hirsch mit einem leuchtenden Kreuz zwischen den Geweihstangen erschienen sein, worauf er sich vom "wilden" zum respektvollen Jäger wandelte. Er reiste nach Rom und wurde zum Bischof geweiht. 727 starb er als Bischof von Lüttich. Diese Legende dient den Jägern noch heute als Vorbild für ihr Verhalten und ihren Respekt vor Gottes Schöpfung. Jagdgegner interpretieren die Legende gelegentlich so, dass Hubertus nach seiner Wandlung der Jagd vollständig abgeschworen habe. Dem halten die Jäger entgegen, dass diese These nicht auf Überlieferungen beruht, denn in Kirchen wird der Heilige meistens als Jäger dargestellt, fast immer mit Hirsch und Hunden. In ihren Reihen finden sich überdies sowohl evangelische als auch katholische Geistliche. Dies werten die Waidmänner und -frauen als weiteren Hinweis auf die Vereinbarkeit einer nachhaltig und tierschutzgerecht ausgeübten Jagd mit dem christlichen Glauben
5.11.2009, www.dreisamtaeler.de

Hubertusmesse in der Barockkirche St. Peter
Am Sonntag, dem 8. November 2009, gestalten um 10 Uhr die Jagdhornbläser Dreisamtal in der Pfarrkirche St. Peter eine Hubertusmesse zu Ehren des Schutzpatrons der Jäger. Der Legende nach sei der im Jahre 655 geborene Hubertus rastlos jagend durch die Wälder gezogen. Als ihm eines Tages ein Hirsch mit einem Kreuz im Geweih begegnet wäre, sei er bekehrt worden. Später wurde er Bischof von Maastricht und Lüttich. Die Jäger erkoren ihn bereits im 11. Jahrhundert zu ihrem Schutzpatron. Die liturgische Musik in der Hubertusmesse wird auf Naturhörnern mit Fürst-Pless und Parforcehörnern in „B“ sowie Teile der Messe nur mit Parforcehörnern in „Es“ geblasen. Die Leitung der Dreisamtäler Jagdhornbläser liegt bei Peter Bank aus Kirchzarten. Die Eucharistiefeier in der Barockkirche aus dem frühen 18. Jahrhundert, vom Vorarlberger Baumeister Peter Thumb ausgestattet, wird von Vikar Stefan Meisert gefeiert.
Gerhard Lück, 6.11.2009, www.dreisamtaeler.de

 

Katholisch, auch ohne Kirchensteuer

Hartmut Zapp will aus der katholischen Kirche austreten – aber nur als Zahler von Kirchensteuer. Als Glaubender möchte er dagegen der Kirche weiter angehören. In dieser Absicht hatte er vor dem Standesamt Staufen seinen Austritt nur aus der Kirche als öffentlich-rechtliche Körperschaft erklärt. Diese Aufteilung aber will das Erzbistum Freiburg nicht hinnehmen und hat dagegen vor dem Verwaltungsgericht geklagt – erfolglos. Das Gericht hat jetzt sein abschlägiges Urteil ausführlich begründet.
Danach ist der Begriff "Körperschaft des öffentlichen Rechts", den der Kirchenrechtsprofessor Zapp auf seiner Austrittserklärung vermerkt hatte, aus Sicht des Staates kein rechtswidriger Zusatz, sondern die korrekte Rechtsbezeichnung für die Kirche. Und zwar als Religionsgemeinschaft im Sinne des Kirchensteuergesetzes. Daher sei der Austritt juristisch nicht zu beanstanden: Für das Verwaltungsgericht machte das Standesamt Staufen keinen Fehler, als es Zapps Austritt trotz des Zusatzes akzeptierte. Zapp hatte freilich diesen Zusatz eingefügt, weil er zwischen der Rechtskörperschaft und der Religionsgemeinschaft unterscheiden wollte. Das ist genau der Punkt, warum das Erzbistum Klage erhoben hat: Es geht um die Kirchensteuer als Voraussetzung der Zugehörigkeit zur Kirche. Doch welche Folgen ein Austritt als Kirchensteuerzahler innerkirchlich habe, das gehe den Staat nichts an, so das Verwaltungsgericht: Das müsse die Kirche selbst intern regeln. Das Erzbistum hat bereits Berufung angekündigt.  
amp, 31.7.2009

 

Hilfe für den Antoniter-Giebel: Vortrag 7.Mai im Stadthotel

Im März hat der emeritierte Professor und Pharmakologe Dr. Klaus Starke auf Einladung des Vereins Denkmalpflege für Freiburg im Breisgau e.V. in interessanten Vortag über den Antoniterorden gehalten. Nun auch Iso Himmelsbach, M.A. der Einladung des Vereins gefolgt: In seinem Vortrag am 7.Mai geht es um die Erfolge und Schwierigkeiten des Ordens, der sein Domizil in Oberlinden 1527 aufgegeben hat. In schwieriger Zeit übernahm 1542 die Stadt Freiburg das Gebäude und wandelte es in ein Pfründhaus um, das es bis 1808 blieb.
Mit einem Seitenblick sollen auch die Nimburger Bergkirche und die Reste eines Antoiniusaltars gestreift werden, von dem sich Teile heute in der Pfarrkirche St. Joseph in Obersimonswald und im Augustinermuseum in Freiburg befinden.
Der Vortrag findet statt am Donnerstag, dem 7. Mai 2009 um 19:00 Uhr
im Stadthotel Freiburg, Kolping Hotels & Resorts, Karlstraße 7.
3.4.2009

 

Benedikt XVI. und die Piusbruderschaft: Fragmentarische Gedanken zweier Ungenannter

Vorbemerkung der Redaktion: Der Druck auf römisch-katholische Theologen ist offenbar derzeit so groß, dass es für viele angesichts einer bedrohten Existenzgrundlage nicht ratsam erscheint, Überzeugungen und Kritik mit namentlicher Kennzeichnung zu veröffentlichen. Jedenfalls erreichte uns dieser Beitrag mit dem Zusatz: "Als in der Lehre stehende Theologen können wir leider unsere Identität nicht preisgeben, ohne die Institution, für die wir arbeiten, zu diskreditieren und ohne uns selbst zu gefährden. Email-Adresse und Namen sind daher gefaket." Der Text enthält in unseren Augen auch unabhängig von seiner Verfasserschaft, über die wir keinerlei Aussage treffen können, interessante Informationen (zum Teil gerade auch in den Fußnoten). Deshalb möchten wir am Thema interessierten Leserinnen und Lesern das Dokument nicht vorenthalten. Es bietet kritische Überlegungen zur Diskussion über die Annäherung des Papstes an die Traditionalisten. Die Autoren erhellen den Charakter der Lefebvre-Bewegung, zu dem u. a. zentral die Judenfeindlichkeit gehört. Sie vergleichen theologisch wie kirchenrechtlich den – sehr verschiedenen – Umgang des Vatikans bei Versöhnungsvorschlägen in Richtung evangelischer Kirche und in Richtung der rechten Kirchenabspaltung. Schließlich wird an das einfache Faktum erinnert, dass bereits wiederverheirate Geschiedene von den Sakramenten ausgeschlossen werden, während Holocaustleugnung offenbar keine spürbaren Konsequenzen nach sich zieht. Dass die Verfasser zum Schluss mit großem Bekenntnisbedürfnis ihrer Treue zur Kirche und zum römisch-katholischen Glauben Nachdruck verleihen, ist wohl als Hinweis auf eine sehr persönliche Gewissensnot zu werten. Red.
www.heise.de

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I. Die kirchenrechtliche Problematik

  Zunächst ein Blick auf die Fakten und die kirchenrechtlichen Rahmendaten. Bischof kann man in der katholischen Kirche nur mit Erlaubnis des Papstes gemäß der rechtlichen Ordnung der Kirchen, dem sog. Kirchenrecht, werden. Ohne eine solche ausdrückliche Erlaubnis von Johannes Paul II. weihte am 30. Juni 1988 der bereits von Papst Paul VI. suspendierte Erzbischof Marcel Lefebvre unter Assistenz von Bischof Antônio de Castro Mayer im schweizerischen Écône vier Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) zu Bischöfen: Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Gallareta. Ähnlich wie im Staate werden auch in der Kirche unerlaubte Amtshandlungen (sowie es diese Bischofsweihe war) geahndet, nämlich mit dem sofortigen Ausschluss aus der Kirche, der Exkommunikation. Im vorliegenden Fall muss diese dabei nicht einmal von einem Organ der Kirche ausgesprochen werden, die Strafe folgt auf die Tat (das gibt es z.B. auch bei der Abtreibung). Lefebvre, de Castro Mayer sowie die vier unerlaubt Geweihten zogen sich auf diese Weise damit nach dem Kirchenrecht der katholischen Kirche per Tatstrafe die Exkommunikation zu. Am 01. Juli 1988 wurde diese Strafe auch formell erklärt durch die Kongregation für die Bischöfe. Am 02. Juli 1988 folgte das Motu Proprio von Papst Johannes Paul II. Ecclesia Dei Adflicta. Johannes Paul II. stellte fest, dass es sich bei der unerlaubten Weihe nach can. 751 des Codex des kanonischen Rechts (CIC) um einen schismatischen Akt handelt, also die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder (!) der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche. Es ist also festzuhalten: Allein aufgrund der unerlaubten Weihe und des schismatischen Aktes zogen sich die genannten Personen die Exkommunikation zu. Offenkundig hat Bischof Bernhard Fellay in einem Schreiben vom 15. Dezember 2008 auch im Namen von Williamson, Gallareta und de Mallerais zum wiederholten Mal um die Rücknahme der Exkommunikation gebeten. Das Kirchenrecht bietet die Möglichkeit zu einem solchen Straferlass. Der Täter muss aber zuvor "die Straftat wirklich bereut - und - außerdem eine angemessene Wiedergutmachung der Schäden und eine Behebung des Ärgernisses geleistet oder zumindest ernsthaft versprochen" haben (can. 1347 §2 CIC). Von Reue, Bereitschaft zur Wiedergutmachung der Schäden und Behebung des Ärgernisses kann angesichts der aktuellen Wortmeldungen seitens der Beteiligten und der Piusbruderschaft aber nun wirklich keine Rede sein - ganz zu schweigen von einer Unterordnung unter den Papst oder dem Wunsch nach Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche. Im Nachhinein ist nun der Eindruck entstanden, Papst Benedikt XVI. habe entgegen can. 1347 §2 offenbar ohne Vorbedingung am 21. Januar 2009 "großzügig wiederholten Bitten des Generaloberen [i.e. Fellay] der Bruderschaft Pius X." entsprochen und die Exkommunikation der vier Bischöfe aufgehoben. Ob sich Benedikt XVI. zu Recht verschaukelt fühlen darf? Angesichts der kolportierten Versicherung im Schreiben vom 15. Dezember 2009, die vier Bischöfe glaubten nun doch fest an den Primat Petri und an seine besondere Stellung?
Fakt ist: Papst Benedikt XVI. zeigte größtes Entgegenkommen gegenüber einer Gruppierung, deren zumindest schismatische Tendenz seit langem bekannt ist und die darüber hinaus mit ihrer Ablehnung des II. Vatikanischen Konzils bedeutende Lehren der katholischen Kirche ablehnt. Damit stehen die ihr zugehörigen Personen im Verdacht, sich nach den canones 751 und 1364 §1 CIC wegen Häresie die Exkommunikation per Tatstrafe zuzuziehen. Angesichts der "andauernden Widersetzlichkeit" und "der Schwere des Ärgernisses" könnte es nach can. 1364 §2 dann sogar zu weiteren Strafen bis hin zur Entlassung aus dem Klerikerstand kommen.  


II. Die theologische Brisanz

Mag auch vielen die Auseinandersetzung um erlaubte oder unerlaubte Weihen, um einen Gottesdienst, dessen Latein doch niemand versteht, weil es leise gemurmelt wird, um eine Kirchenversammlung, die historisches Forschen in der Theologie, Religionsfreiheit und Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen für erlaubt erklärte, gleichsam als Diskussion wie von einem anderen Stern erscheinen. Das ist aber nicht so. Und so besitzt Benedikts Entgegenkommen zum Zweiten nun hinsichtlich seiner eigenen theologischen Position einige Brisanz. Das Gefühl, dass im Ringen um die Einheit der Kirchen nicht mehr viel vorwärts geht, ist nicht neu. Nach einem gewaltigen Schub Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre machte sich Ernüchterung sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Welt bemerkbar. An der Frage nach dem Amts- und Sakramentenverständnis biss man sich die Zähne aus, sodass zwei bedeutende deutsche Theologen, Heinrich Fries und Karl Rahner 1983 folgenden Vorschlag machten: Da man den Konsens in wesentlichen Fragen hergestellt habe, sollte die katholische Kirche die evangelischen Kirchenämter anerkennen, damit man gemeinsam Gottesdienst feiern könne. In der Überzeugung, dass dieser gemeinsame Gottesdienst die Einheit der Kirche nicht nur anzeigt, sondern auch befördert, würden sich die restlichen Streitfragen lösen lassen. Man sieht die Parallele zur Bruderschaft deutlich: Offenbar nachrangige Lehren des II. Vaticanums wie die Religionsfreiheit, die Freiheit wissenschaftlicher Forschung oder das offenkundig sekundäre Problem, ob die reformierte Liturgie rechtgläubig ist, werden zurückgestellt und per Dekret die Einheit hergestellt. Doch einen wesentlichen Unterschied gibt es: die evangelischen Kirchen, mit denen Karl Rahner und Heinrich Fries in Kontakt standen, wollten von sich aus die Einheit der Kirche, wenn nötig auch unter Verzicht auf liebgewordene Traditionen. Wie aber steht die Piusbruderschaft zur Aufhebung der Exkommunikation? Sie will Rom zu ihrer Position zurückführen!
So weit, so schlecht. Pikant wird der Fries/Rahner-Plan, bei gutem Willen und großem Konsens die Amtsfrage erst nach der Wiederherstellung der Kircheneinheit zu lösen, weil es eine sofortige Stellungnahme des damaligen Leiters der Glaubenskongregation, Josef Ratzingers, gibtEin Parforceritt zur Einheit, wie ihn neulich [1983] H. Fries und K. Rahner mit ihren Thesen angeboten haben, ist ein Kunstgriff theologischer Akrobatik, die leider der Realität nicht standhält. Man kann die Konfessionen nicht wie auf einem Kasernenhof zueinander dirigieren und sagen: Hauptsache, sie marschieren miteinander; was sie dabei denken, ist im einzelnen nicht so wichtig. [!] Die Wahrheitsfrage durch ein paar kirchenpolitische Operationen zu überspringen, wie dies im Grunde Fries und Rahner vorzuschlagen scheinen, wäre ein ganz und gar unverantwortliches Verhalten.

Ratzinger gesteht also der Einigung mit den "konsensbereiten" Protestanten mit Hinweis auf die Wahrheitsfrage kein Wohlwollen zu. Das ist so lange sinnvoll, als er auch den vier Bischöfen der FSSPX dasselbe Maß zuteilt. Da er ihnen nun aber geradezu um den Hals gefallen scheint, stellt sich die Frage, warum Ratzinger von der Wahrheitsfrage abgesehen hat. Könnte die Antwort lauten: Er steht der Bruderschaft innerlich nahe und dem Konzil, das er ja permanent als "nur pastoral" abwertet, fern? Damit machte sich derjenige, der das Amt der Einheit aller in der Kirche versehen sollte, zum Parteigänger einer Splittergruppe. Und als ob das nicht schon allein skandalös genug wäre, schädigt er die Autorität des Papstes und das Ansehen seines Amtes. Reden und Handeln klaffen auseinander: Betroffenheit in Auschwitz und Sympathie für Antisemiten, Dialogwunsch mit dem Judentum und eine Erleuchtungsbitte passen nicht zusammen. Und wenn Benedikt XVI. durch sein Handeln Zweifel an einem von zwei Päpsten ordnungsgemäß einberufenen, ordnungsgemäß durchgeführten und ebenso ordnungsgemäß abgeschlossenen Konzil aufkommen lässt, dann untergräbt er seine eigene Position. Wenn jetzt der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller Theologen maßregelt, die ihre Treue zu den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils bekundet haben, dient dies nicht gerade dazu, die Zweifel zu mindern. In welches Zwielicht Benedikt XVI. mittlerweile geraten ist, zeigt zum Beispiel der Vortrag des renommierten Dogmatik-Professors Peter Hünermann an der Katholischen Akademie Stuttgart-Hohenheim. Hünermann spricht von einem skandalösen Amtsmissbrauch, da Benedikt XVI. mit der Rücknahme der Exkommunikation die vier FSSPX-Bischöfe von der vollen Anerkennung des Vatikanum II. dispensiert habe - obwohl Bernard Fellay in seinem Brief vom 15. Dezember die Vorbehalte der Lefebvre-Anhänger gegen das II. Vatikanum und ihr Festhalten am Antimodernisteneid erneut bekräftigt habe. Benedikt XVI. habe selbst in seiner Amtsführung gegen Glaube und Sitten verstoßen. Daher sei seine Entscheidung nichtig und die Rücknahme der Exkommunikation unwirksam. Peter Hünermann hat seine Vorwürfe mittlerweile abgemildert. Doch seine Wortmeldung zeigt wie weit Zweifel und Verunsicherung bei den Gläubigen reichen und welchen kirchenpolitischen und theologischen Sprengstoff Benedikts Vorgehen enthält - Sprengstoff, der von den meisten Kommentatoren unterschätzt wird. Auch gewisse theologische Grundprämissen, wie sie der sich als hierarchischer Geisterfahrer gebärdende designierte und bereits wieder demissionierte Weihbischof zu Linz vertritt, stehen dem Irrglauben, der Häresie, nahe: Wer die katholische Kirche "gesund" schrumpfen will, verrät die Katholizität, die Allumfassendheit des christlichen Glaubens. Entweder müssen Christinnen und Christen prinzipiell ihre Glaubensgemeinschaft allen Menschen guten Willens (!) öffnen oder nicht. Einen dritten Weg gibt es nicht. Dies ist keine nebensächliche Frage, sondern ein Artikel, mit dem Kirche steht oder fällt. Diese kann nur dann katholisch sein, wenn sie auch allen Menschen die Wahrheit, die sie sich von Gott geschenkt weiß, weitergibt. Es verwundert schon sehr, dass ausgerechnet der Papst, der der Diktatur des Relativismus den Kampf angesagt hat, die Klarheit und Wahrheit des gesamten kirchlichen Glaubens verwässert, um theologisch Rechtsradikale ins Boot zu holen. Verheerend ist aber, wenn der Eindruck entsteht, eine solche Minderheit sei vorbildlich. Die Sorge um die Einheit der Kirche gereicht Benedikt sicher zur Ehre. Es ist ein legitimes und unterstützenswertes Anliegen der Kirchenzentrale im Geiste wahrhaftiger Katholizität, auch rechtskatholische Kreise nicht dem Extremismus anheim fallen zu lassen. Gegenüber den Bischöfen der FSSPX hat Benedikt XVI. jedoch ein derartig befremdliches und offenkundig bedingungsloses Entgegenkommen gezeigt, dass ein katastrophaler Eindruck entstanden ist: Unter dem Deckmantel jesuanischer Vergebungsbereitschaft und vorgeblicher Sorge um die Einheit würden in Rom sektiererische Tendenzen begünstigt. Dass die bedingungslose Aufhebung der Exkommunikation keineswegs nur als ein Akt väterlicher "Gnade", sondern auch als ein kirchenpolitisches Zeichen wahrgenommen werden kann, offenbart die Tatsache, dass seit bald 20 Jahren die Petrusbruderschaft existiert. Dieser wurde die Feier der Gottesdienste in der nicht-reformierten Form zugestanden. Wenn es also nur um die stille Messe ginge, hätten die vier Bischöfe schon lange zur Kirche zurückkommen können. Der FSSPX aber gerade nicht um die reformierte oder nicht-reformierte Messform, sondern um die totalitaristischen und faschistischen Staats- und Gesellschaftsphantasien, die unter ihren Mitgliedern gepflegt werden. Durch die Versöhnung mit den vier Bischöfen geht der Papst anscheinend vor diesen und deren Vorstellungen in die Knie. Mindestens distanziert er sich nicht ausdrücklich genug.  

III. Der politische Sprengstoff

Und daher ist Benedikts Entgegenkommen zum Dritten fraglich angesichts der politischen Ausrichtung der FSSPX. Antisemitische, antidemokratische, faschistische und misogyne Wortmeldungen seitens ihrer Mitglieder sind seit langem bekannt. Wer davon nichts gewusst haben will (!), ist entweder grandios inkompetent, sagt bewusst die Unwahrheit oder befleißigt sich in einem Ausmaß "konfuzianischer Tugenden", dass er sich wahrhaft zum Affen macht: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen! Mag der Papst auch nichts von Williamsons Interview gewusst haben - allein das wäre Skandal genug - , so muss er doch gewusst haben, wes Geistes Kind die sind, derer er sich in väterlicher Weise erbarmt. Angesichts der jüngsten Wortmeldungen von Mitgliedern der FSSPX müsste mittlerweile ebenfalls deutlich sein, dass es sich also hier nicht allein um eine Causa "Williamson" handelt. Wenn man sich nämlich die Piusbruderschaft und vor allem deren geschichtliche Wurzeln näher ansieht, beginnt man zu frösteln: Wir befinden uns in Frankreich um 1900. Die Priester werden vom Staat bezahlt, Antisemitismus ist en vogue, ein jüdischer Militär mit dem Namen Dreyfus wird zu Unrecht der Spionage bezichtigt und nur wegen seines Jüdischseins verurteilt. Spät wird er rehabilitiert - zu spät, denn nun steht die Französische Republik unter Druck und trennt sich 1905 vollständig von der Kirche. In dieser spannungsvollen Situation bilden antimoderne, illiberale, klerikalistische, antisemitische, monarchistische und reaktionäre Kreise die Action française. Deren erklärtes Ziel ist die Wiedereinführung all dessen, was vor 1789 war: Der Katholizismus als Staatsreligion, allenfalls Toleranz für Juden und Protestanten, Aufhebung der Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit, absolute Monarchie. Die Haltung der Amtskirche war eigentlich klar: Bereits Pius X. hatte die Action française verurteilt, und als in der 20er Jahren der französische Kardinal Billot nicht von der Action française lassen wollte, enthob Papst Pius XI. ihn seiner Würde als Kardinal. Die Kirche, obwohl selber mit Sicherheit nicht progressiv, lehnte diese Form von Reaktion ab. Im zweiten Weltkrieg unterstützte die Action française die Kollaborationsregierung in Vichy. Aus dem Dunstkreis der Action française stammt aber Erzbischof Marcel Lefebvre; es ist nun keineswegs neu, dass die Piusbruderschaft ihrem Gründer und dessen geistiger Prägung folgt. Über die Publikationsorgane weiß man seit den 70er Jahren, dass die Bruderschaft eine latent antimoderne, antisemitische, antiislamische und illiberale Gesellschaftsordnung anstrebt. Deutlich macht das die SZ vom 2.2., wenn dort von einem "glibbrige[n] Abgrund" die Rede ist. Wir wollen deutlicher sein: Die Piusbruderschaft vertritt offen faschistoides Gedankengut, lackiert das Ganze aber christlich. Die Holokaustleugnung von Bischof Williamson ist die Spitze des Eisberges, nicht ein bedauerlicher Einzelfall. Solange die Position Johannes Paul II. klar war, der die uneingeschränkte Annerkennung des II. Vatikanums von der Bruderschaft für die Rückkehr in die Kirche forderte, waren die Anhänger Lefebvres allenfalls ein Problem für den Verfassungsschutz. Jetzt aber hat Benedikt XVI. die Büchse der Pandora geöffnet und die Exkommunikation der vier Bischöfe ohne Gegenleistung aufgehoben. Wenn er bedingungslos Leute in die Kirche aufnimmt, die faschistoides Gedankengut pflegen, die Gesamtkirche zu diesem Gedankengut bekehren und das II. Vatikanum ungeschehen machen wollen, dann liegt das Problem nicht bei Williamson, sondern in Rom selbst. Benedikt XVI. hat das Konzil und seine Errungenschaften für eine billige Einheit zur Disposition gestellt. Vor diesem Hintergrund ist Angela Merkels Appell auch keineswegs eine unzulässige Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten gewesen. Das ging aus dessen Wortlaut eindeutig hervor. Er war ein außen- und innenpolitisches Statement. Im Klartext: Kann Deutschland außenpolitische Beziehungen zu einem Staat unterhalten, der einer Gruppierung wie der FSSPX Raum gibt? Können sich der deutsche Staat und die deutsche Gesellschaft eine Körperschaft öffentlichen Rechts leisten, in der es Bestrebungen gibt, die Grundlagen dieses Staates und dieser Gesellschaft zu unterminieren? Für Staat, Gesellschaft und Kirche steht mit der Integration der vier abtrünnigen Bischöfe auch jenseits des expliziten Antisemitismus politisch Entscheidendes auf dem Spiel. Dennoch ein kurzes Wort zu Josef Ratzingers bzw. Benedikt XVI. Umgang mit dem Judentum. Stets wird in den Kommentaren versichert, dass er kein Antisemit sei. Auch den Autoren liegt eine solch infame Unterstellung fern. Doch muss nicht der Eindruck entstehen, dass Benedikt XVI. keine Distanz zu dieser Perversion hat, wenn er kommentarlos Antisemiten, deren schlimmster ein Holocaustleugner ist, rehabilitiert? Verhärtet sich ein solches Bild womöglich, wenn in der modernen Medienwelt das klare Dementi bis heute ausgeblieben ist? Die Aufforderung an Williamson, die Leugnung der Shoah aufzugeben, ist eine Aufforderung, die Leugnung aufzugeben; mitnichten stellt sie eine Distanzierung Benedikt XVI. dar, die viel zu spät artikuliert wurde. Denn diese ist erst dann wirklich gegeben, wenn er klar und deutlich sagt: Niemand darf den abscheulichen Mord an 6 Millionen Juden leugnen; so etwas darf nie wieder geschehen. Dazu gehört aber auch: Die Kirche achtet und respektiert die Religion, aus der sie stammt, als einen Heilsweg, der von Gott eröffnet und nie verschlossen wurde: "[O]hne Reue nämlich sind die Gaben und die Berufung Gottes" (so die Kirchenkonstitution des II. Vaticanums Lumen gentium 16). Doch all das kam zaghaft, spät und in einer Vagheit, die bei jemandem, der die Wahrheitsfrage sonst zum obersten Kriterium seiner Kirchlichkeit macht, überrascht und verbittert. Bischof Müller in Regensburg hatte durchaus Recht, wenn er die Holocaustleugnung als Gotteslästerung betrachtet. In der Tat, eine solche Abscheulichkeit ist wirklich eines der sonst kaum möglichen Attentate auf die Gottheit Gottes. Rom ruft den Gläubigen und der ganzen Welt die Sündhaftigkeit gotteslästerlichen Verhaltens bei Abtreibung und Verhütung mit großer Klarheit und steter Ausdauer ins Bewusstsein. Ist es zuviel verlangt, dass Rom dann auch mit derselben Klarheit und Stetigkeit und dann gerade auch in einer solchen Krise die gotteslästerliche Holocaustleugnung immer wieder aufs schärfste verurteilt? Welch ein verheerendes Echo muss da das päpstliche Schweigen und Leisetreten hervorrufen! Durch dieses dreifach tief befremdliche Entgegenkommen Benedikts XVI. ist bei Katholiken wie Nicht-Katholiken ein verheerender Eindruck entstanden. Auf einige Beispiele gebracht: Wer über die Frauenordination nur nachdenkt, wird gemaßregelt; wer seinen frauenhasserischen Tendenzen freien Lauf lässt, bekommt die Hand gereicht. Wiederverheiratete Geschiedene werden von der Kommunion ausgeschlossen, weil sie nicht zu ihrem Ehepartner in Treue und Liebe verharren, die als Abbild der göttlichen Treue und Liebe gefordert ist. Wer jedoch (gegen die Bibel, z.B. Hos 11) glaubt, dass Gott selbst nicht treu zu seiner Liebe Israel steht und den Bund mit Israel aufkündigt, wird von der Exkommunikation befreit. Oder mit dem katholischen Theologen Peter Neuner gesprochenWährend manche fundamentalistischen Strömungen sich eines gewissen offiziellen Wohlwollens erfreuen, werden oppositionelle Regungen auf der "linken" Seite des Spektrums weit weniger großzügig behandelt, obschon - anders als bei jenen - hier weder den Amtsträgern Verrat am Glauben vorgeworfen wird, noch Bestrebungen zur Errichtung einer eigenen kirchlichen Organisation vorhanden sind. Hier besteht keine Gefahr eines Schismas, so daß Distanzierungen von der offiziellen Kirche in diesem Bereich als weniger gravierend empfunden werden. Allerdings hat das zu einer Massenabwanderung aus der Kirche geführt, sei es, daß viele ihre Hoffnungen nicht erfüllt sehen, sei es, daß sie an ihrem Reformwillen verzweifeln.

Als fundamentalistische Gruppierungen sind hier vor allem die FSSPX, das Engelwerk sowie unter Einschränkung das Opus Dei im Blick. Das Zitat findet sich übrigens in einem bekannten Dogmatik-Handbuch, herausgegeben von Ratzingers Schüler Wolfgang Beinert. Es stammt aus dem Jahre 1995. Am 21. Januar 2009 wollte Papst Benedikt XVI. die Wunde der Kirchenspaltung schließen - und vermutlich auch eine persönliche Wunde. Schließlich war er es, der als damaliger Leiter der Glaubenskongregation einen letzten Vermittlungsversuch mit der Bruderschaft vor dem Bruch unternahm - und scheiterte. Benedikt XVI. hat der katholischen Kirche und seinem eigenen Amt eine Wunde zugefügt, die lange nicht verheilen wird. Sein dreifach tief befremdliches Entgegenkommen hat brisante Fragen aufgeworfen. Die Verunsicherung unter den Gläubigen ist weitreichend. Ist der Papst noch verlässlicher Garant des Glaubens (Eberhard Schockenhoff)? Stehen Benedikt XVI. und manche seiner kurialen Mitarbeiter noch auf dem Boden der römisch-katholischen Lehre? Wie weit gehen die Sympathien für die Ansichten wesentlicher Anhänger der FSSPX, die unter dem Verdacht des Sektiererischen, Schismatischen, Häretischen stehen? Der Benedikt XVI. hat dem Ansehen und der Autorität seines Amtes geschadet. Dabei wäre eine sorgfältige und integre Amtsführung durch ihn wünschenswert und erforderlich. Die Funktion des Bischofs von Rom ist nun mal, die alt- und neutestamentliche Weisung so auszulegen, dass sie heute noch verstanden werden kann. Er müsste z.B. Farbe bekennen gegen Frauenhass, Antisemitismus, Rassismus usw. Die Wahrheitsfrage durch ein paar kirchenpolitische Operationen zu überspringen, hat Folgen gezeitigt - vielleicht die schlimmste darunter: Die Gläubigen haben nicht den Eindruck, Benedikt XVI. müsse Farbe bekennen, sondern: er hat Farbe bekannt, da er sich mit den Anliegen der FSSPX gemein gemacht hat. Die Autoren dieses Textes sind überzeugte katholische Christen und wissen sich in voller Einheit mit der vom Papst und den Bischöfen geleiteten katholischen Kirche. Wir glauben, dass in Jesus Christus die göttliche Wahrheit in vollkommener und unüberholbarer Weise zu den Menschen gekommen ist und bei ihnen bleibt, um diese zu ihrem Glück zu führen. Diese feste Überzeugung hat nichts mit Fundamentalismus zu tun. Im Gegenteil sind wir unserem Gewissen verpflichtet, stets mit Vernunft und Verstand zu prüfen, ob dieser Glaube der Wahrheit entspricht. Das ist nicht sonderlich modern, entspricht aber der Weisheit der Griechen, die bereits vor über 2000 Jahren wussten, dass menschliches Leben auf Wahrscheinlichkeiten nicht aufruhen kann. Wir bekennen uns ausdrücklich zu allen Wahrheiten, die uns die Kirche als zu glauben vorlegt. Wir bekennen uns zu einer Kirche, in der wir die göttliche Wahrheit als lebendige Flamme finden, die gerade auch vom Papst sorgfältig und mit seinem vollen Einsatz bewahrt werden muss. Ist es nicht mehr als billig, genau diesen Einsatz für die gesamte Wahrheit vom Papst zu verlangen? Oder steht diese ewige Wahrheit Gottes, der sich die Bruderschaft seit fast 40 Jahren verweigert und an der sie sich versündigt, zur Disposition Benedikt XVI.?  
Kompletten Artikel vom 3.3.2009 mit allen Links und Fussnoten bitte lesen auf http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29805/1.html

 

Theologie-Professoren der Uni Freiburg zu Papst und Pius-Bruderschaft

Die unterzeichneten Professoren der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg nehmen mit großer Irritation und Sorge zur Kenntnis, dass Papst Benedikt XVI. durch das Dekret vom 21.01.2009 die Exkommunikation von vier Bischöfen der "Priesterbruderschaft St. Pius X." aufgehoben hat. Wir sind uns darüber im Klaren, dass davon die sich anschließenden öffentlichen Reaktionen zu unterscheiden sind. Es gibt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Entscheidung Papst Benedikts XVI. nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Leugnung der Shoah durch Bischof Williamson steht. Dies hat der Papst in seiner Generalaudienz am 28.01.2009 unmissverständlich klargestellt. Gleichwohl bedauern wir die mangelnde Sensibilität seines Vorgehens. Es dürfte vieler Gespräche bedürfen, um das unter Papst Johannes Paul II. gewonnene Vertrauensverhältnis zwischen Menschen jüdischen Bekenntnisses und katholisch gläubigen Christen wiederherzustellen. Die Aufhebung der Exkommunikation der illegitim geweihten Bischöfe der Priesterbruderschaft gibt uns aber auch Anlass zu grundsätzlichen kritischen Anfragen.
1. Es ist uns unverständlich, dass die Exkommunikation der schismatischen Bischöfe aufgehoben wurde, bevor sie grundlegende Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils akzeptiert haben. Bis heute werden Konzilsaussagen wie die zur Religionsfreiheit, zur Würde des individuellen Gewissens, zum universalen Heilswillen Gottes, zum gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen oder zur besonderen heilsgeschichtlichen Rolle der jüdischen Brüder und Schwestern (Nostra Aetate 4) im Kontext der Priesterbruderschaft ignoriert oder gar konsequent verneint. Eine solche Ablehnungshaltung kann selbst dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die mangelnde Einheit unter Christinnen und Christen als sehr schmerzhaft empfunden wird.
2. Als Theologen aus dem Ursprungsland der Reformation bedauern wir zutiefst, dass die Aufhebung der Exkommunikation nicht nur die Beziehungen zu den Menschen jüdischen Bekenntnisses erschweren, sondern auch die Gräben zu den Kirchen der Reformation vertiefen wird. Dem antiökumenischen Affekt der Priesterbruderschaft wird so innerkatholisch Auftrieb gegeben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat seinen Willen zur Ökumene eindeutig bekundet.
3. Der Glaubwürdigkeit des Eintretens für die universale Menschenwürde und freiheitliche gesellschaftliche Rechtsordnungen wird massiver Schaden zugefügt, wenn die oben bezeichneten Konzilsaussagen in Frage gestellt werden. Die vielfältigen Bemühungen von Christinnen und Christen weltweit, für freiheitliche Grundrechte einzutreten, werden durch die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Priesterbruderschaft konterkariert. Es wäre deshalb dringend angezeigt gewesen, die Aufhebung der Exkommunikation von einem positiven Bekenntnis zu den konziliaren Aussagen abhängig zu machen. Bis heute zeigen die illegitim geweihten Bischöfe kein Umdenken in all diesen Punkten oder gar Reue über den der Kirche und ihren Anliegen zugefügten Schaden. Vielmehr hat die Priesterbruderschaft immer wieder festgestellt, dass der katholische Glaube in ihr bewahrt worden und durch das Zweite Vatikanische Konzil verletzt worden sei.
4. Nach unserer Auffassung kann es kirchliche Einheit nur in grundsätzlicher Übereinstimmung des Glaubens geben. Grenzen können fließend sein, aber nicht in substantiellen Fragen. Darum befürchten wir, dass die Vorfälle der letzten Tage dem Amt des Papstes schaden. Sein Einheitsdienst ist bezogen auf den gemeinsamen Glauben. Denn das Papstamt ist das "sichtbare Prinzip der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft" (Lumen Gentium 18). Deshalb können wir das Dekret vom 21. Januar 2009 nur als befremdlich bezeichnen.
Wir teilen die Sorge des Papstes um die Einheit aller Christen. Die Glaubenseinheit muss in einer Kirche, die stets Kirche in einer sich dynamisch verändernden Welt ist, immer wieder neu festgestellt werden. Das Entgegenkommen in der Aufhebung der Exkommunikation kann den Eindruck erwecken, zentrale Lehraussagen stünden zur strategischen Disposition des Papstes. Dies gefährdet die Glaubwürdigkeit seines Amtes, in dem er verlässlicher Garant des katholischen Glaubens sein soll.
Freiburg, 29. Januar 2009
Prof. Dr. Klaus Baumann
Prof. Dr. Thomas Böhm
Prof. Dr. Georg Bier
Prof. Dr. Karl-Heinz Braun
Prof. Dr. Gisbert Greshake
Prof. Dr. Hubert Irsigler
Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer
Prof. Dr. Lorenz Oberlinner
Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff
Prof. Dr. Heribert Smolinsky
Prof. Dr. Magnus Striet
Prof. Dr. Peter Walter
Nachzeichnungen sind möglich, da noch nicht alle Kollegen erreicht werden konnten.

 

Pastoralkonferenz: Unverständnis und Sorge zur Piusbruderschaft

Die  Grundlinien für Arbeit vor Ort sind klar. Bei der Pastoralkonferenz des katholischen Stadtdekanats referierte der Dekan der Theologischen Fakultät, Magnus Striet, über die Ereignisse rund um die umstrittene Piusbruderschaft. In den Pfarreien vor Ort herrschen seit Wochen Verunsicherung und Skepsis gegenüber den Entwicklungen in Rom.

Verunsicherung und Unverständnis vor Ort: Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Stadtdekanats berichteten von den Reaktionen in den Gemeinden. Neben der einhelligen Verurteilung und Ablehnung der antisemitischen Äußerungen von Bischof Williamson gibt es die zunehmend größere Sorge um innerkirchliche Veränderungen. Die Verunsicherung greift dabei tief: welches Kirchenbild wird zukünftig vorherrschen? Welche Verbindlichkeit haben die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils angesichts der Rücknahme der Exkommunikation von Personen, die seit langem und offen Beschlüsse des Konzils ablehnen und die heutige Kirche samt ihren Mitgliedern auf infame Weise diffamieren? Wie gestaltet sich zukünftig das Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen Konfessionen und Religionen? Und warum hat der Vatikan überhaupt die Exkommunikation zurückgezogen?

Sorge um Arbeit vor Ort: Neben der Verunsicherung ist es aber vor allem die Sorge um die Arbeit vor Ort, die die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umtreibt. Viele Gemeindemitglieder und Mitarbeiter in den Seelsorgeeinheiten fühlen sich verunsichert, gekränkt und in ihrem Bild von Kirche und Religion verletzt.  Bei der durchaus kontrovers geführten Diskussion bei der Pastoralkonferenz wurde neben theologischen und kirchenrechtlichen Aspekten besonderer Wert auf eine pastorale Sichtweise gelegt, die die Realitäten vor Ort abbildet. Seit Jahren pflegen die Pfarreien und Seelsorgeeinheiten gute Kontakte zu anderen Religionen. Ökumenische Feste, Gottesdienste und gemeinsame Veranstaltungen, aber auch ein reger Austausch über Glaubensfragen und die Bedeutung von Religion im Alltag prägen das Gemeindeleben. Hinter der Ökumene verbirgt sich indes eine der Grundfragen, die durch die Rücknahme der Exkommunikation der vier Pius-Brüder nun wieder brisant wird: Versteht sich Kirche als Teil der modernen Gesellschaft, oder will sie als eine parallele, in sich geschlossene Kontrastgesellschaft verstanden werden. Das Votum der Hauptamtlichen aus dem Freiburger Stadtdekanat ist eindeutig. „Wir verstehen uns, unseren Glauben und unser Gemeindeleben als Teil der modernen Gesellschaft“, so Ekkehart Bechinger, Pastoralreferent in der Seelsorgeeinheit St. Georgen. Auch Meinrad Drumm, Vorsitzender des Dekanatsrats bestätigt: „Bei uns im Dekanat wird die Ökumene vielfältig gelebt. Die Zusammenarbeit ist geprägt von gegenseitigem Respekt und Achtung vor dem jeweils Eigenen“. Das Gemeindeleben ist vor Ort durch das große Engagement von Ehrenamtlichen geprägt: bei Kirchen- und Gemeindefesten, Wortgottesdiensten oder auch in der Seelsorge. Ohne den Einsatz von engagierten Laien wären viele der Angebote für Jung und Alt, Frauen und Männer, Familien und Kinder nicht leistbar.

Keine eigene Erklärung – Grundlinien sind klar: Bewusst hat die Pastoralkonferenz auf eine eigene Erklärung verzichtet. „Die Grundlinien bei uns vor Ort sind klar“, so Dekan Claudius Stoffel, „wir stehen voll hinter dem zweiten vatikanischen Konzil. Da gibt es nichts zu rütteln.“ Die Sorge vor Ort besteht vor allem in der Unsicherheit, was passieren würde, würden die Positionen der Pius-Bruderschaft salonfähig und das zweite vatikanische Konzil konterkariert. „Dann wäre doch alles was bisher unsere Arbeit geprägt hat in Frage gestellt“, so Pfarrer Konrad Irslinger, Leiter der Seelsorgeeinheit Südwest, zu der neben Weingarten und Haslach auch das Rieselfeld mit der ökumenischen Kirche Maria-Magdalena gehört. Frauen und Laien würden im Gemeindeleben keine Rolle mehr spielen, der fruchtbare Dialog mit anderen Religionen und Glaubensrichtungen fände ein klägliches Ende, gemeinsame Errungenschaften wie die ökumenische Kirche Maria-Magdalena, gemeinsame Taufen und ökumenische Vereinbarungen, die viele der 32 Pfarreien mit evangelischen Gemeinden getroffen haben, müssten aufgegeben werden. Die Botschaft der Pastoralkonferenz lautet daher: Ohne die Integrität von Papst Benedikt infrage zu stellen und ohne jeden antirömischen Affekt: Weder die ökumenische Arbeit noch das Bild einer Kirche, die sich in der Moderne bewegt, stehen zur Debatte. Bemerkenswert ist, dass sich in der Krise auch die Früchte zeigen: Männer und Frauen leisten aktiv Widerstand gegenüber einer extremen innerkirchlichen Gruppe, die sich mehr und mehr Verhör verschafft. „Grenzen können fließend sein, aber nicht in substantiellen Fragen“. Diese klare Aussage der Mehrheit der Professoren der Theologischen Fakultät macht sich die Freiburger Pastoralkonferenz mit großer Mehrheit zu Eigen.

Lob für Zollitsch und für die Professoren der Freiburger Theologischen Fakultät: „Wir haben kein Interesse daran, den Dialog preiszugeben oder einen Grabenkampf zu führen“, fasste Dekan Claudius Stoffel die Stimmung aus der Pastoralkonferenz zusammen. Einig waren sich Priester und Laien bei der Konferenz, dass der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, mutig und besonnen reagiere. Vor allem die klare Positionierung und die selbstverständliche Fortführung des Dialoges, unter anderem mit Vertretern der jüdischen Religion, wurden gelobt. Ebenso dankte die Konferenz den Professoren der Theologischen Fakultät für ihre klare und kritische Stellungnahme.
11.2009, Claudia Warth

Dekan Claudius Stoffel zur Reexkommunikation Priesterbruderschaft Pius X

Kommentar von Dekan Claudius Stoffel zur Diskussion über die Reexkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft Pius X.

Keine Frage: Der Seismograph unserer katholischen Kirche hat in den letzten Tagen und Wochen auf ein erschreckendes Beben verwiesen. „Jeder denkende Mensch muss erschrecken“: damit hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Zollitsch die Sache auf den Punkt gebracht. Und viele, sehr viele katholische Christen sind mit ihm erschrocken über die Ignoranz eines Irrlichts namens Williamson, seines Zeichens Bischof der Piusbruderschaft, seinen verachtenden Äußerungen gegenüber unseren „älteren Brüdern und Schwestern im Glauben“, den Juden. Viele aber nicht weniger erschrocken über die nachhaltige, militante und sture Verweigerung der Gefolgsleute von Williamson im Dunstkreis dieser Bruderschaft, das Zweite Vatikanische Konzil anzunehmen. Es verschlägt einem die Sprache, wenn man diese Positionen näher ansieht. Sie sind ein Nährboden für einen gefährlichen Antisemitismus nicht weniger als beispielsweise für eine nicht weniger gefährliche Distanzlosigkeit zwischen Staat und Kirche, welcher die Gewissensfreiheit des Einzelnen geopfert wird. Hier wird agitiert: vor allem gegen entscheidende Optionen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Natürlich hätten wir alle das schon längst wissen können. Haben es aber nicht wissen wollen oder nicht ernst genug genommen. Auch wir Pfarrer haben diese verschwindend kleine Gruppe nicht ernst genug genommen.

Und so oder ähnlich haben sich die meisten der katholischen Christen verhalten. Bis es zu jenem 21. Januar 2009 kam, an welchem das Dekret über die Rücknahme der Exkommunikation im Vatikan unterzeichnet wurde. Seitdem stehen die Telefone nicht mehr still. Werden irritierte, wütende Mails und Briefe geschrieben und zieht Ratlosigkeit bei vielen Christen ein: „Was soll das?“ – fragen viele wütend und sehen das Fass am Überlaufen. Die Austritte aus der katholischen Kirche nehmen rapide zu: Über 20 sind es jetzt allein im Monat Februar in Freiburg bis heute. In anderen Städten und Gemeinden ist die Betroffenheit nicht weniger groß. Die Pastoralkonferenz des Dekanats Freiburg, Priester und Laien äußern ihre außergewöhnlich große Sorge um die Menschen in ihren Gemeinden.  Auch zu spüren ist allerdings ein großer Konsens unter Priestern und Laien, unter Seelsorgern und ihren Gemeinden, der lautet: „So kann das nicht gehen!“ Eine brennende Frage lautet: Der Papst in Rom, der Vatikan kommt den Menschen der Piusbruderschaft so weit entgegen, dass die Sorge um die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils berechtigt ist. Wann kommt die Zeit, da mit mindestens ebensolchem Mut eines der brennendsten pastoralen Probleme unserer Zeit nicht „nur“ pastoral, sondern auch „kirchenoffiziell“ angegangen wird: der Umgang unserer Kirche mit Menschen, deren Lebenskonzept gescheitert ist und die als Geschiedene ein weiteres Mal geheiratet haben. Eine weitere Frage brennt den Menschen unter den Nägeln: Welche Verbindlichkeit hat denn das Zweite Vatikanische Konzil angesichts dessen, dass die Exkommunikation besagter Bischöfe aufgehoben wurde, bevor diese die Lehraussagen des Konzils anerkannten?
Für die allermeisten Christen wie für mich persönlich, das wage ich zu behaupten, ist die Integrität der Persönlichkeit wie auch die geistliche, theologische  Dichte und Tiefe von Papst Benedikt nicht und zu keiner Zeit in Frage gestellt. Aber es ist ein Fehler passiert. Wem auch immer – dieses zu untersuchen ist nicht unsere Sache. Wie sehr wünschten viele, dass dieses Wort, das Papst Benedikt zum Beginn seines Pontifikats vor deutschen Pilgern aussprach, heute vernehmbar wäre aus Rom: „Ich vertraue auf Eure Hilfe. Ich bitte euch um Nachsicht, wenn ich Fehler mache wie jeder Mensch oder wenn manches unverständlich bleibt, was der Papst von seinem Gewissen und vom Gewissen der Kirche her sagen und tun muss. Ich bitte Euch um Euer Vertrauen.“ Solches Vertrauen braucht es. Es ist groß. Und es ist vorhanden bei vielen Menschen: Gott sei Dank.
12.2.2009, Claudius Stoffel, Dekan in Freiburg

 

 

 

 

 

Pfarrdotationsgrundstücke: 10% für Staat und 90% für Kirche

Pfarrdotationsgrundstücke sind solche Grundstücke, die zwar im Eigentum des jeweiligen Bundeslandes waren, aber ausschließlich kirchlichen Zwecken gewidmet waren. Es gab rund 2800 Pfarrdotationsgrundstücke (auch Pfarrbesoldungsgrundstücke genannt) mit einem Verkehrswert von ca 77 Mio DM im Jahr 1980. Beim Verkauf solcher Grundstücke kam es immer wieder zu Auseinander-setzungen um die Frage, wieviel Prozent des Verkaufserlöses nun dem Staat und der Kirche zustehen. Dr. Paul-Dieter Mehrle, heute in Kirchzarten wohnhafter Ministerialrat a.D., hat sich mit diesem Problem befasst:
Pfarrdotationsgrundstücke in Württemberg
Ein Bericht zur Lösung einer alten vermögensrechtlichen Streitfrage zwischen Staat und Kirche im jahre 1981, in : Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte
Kanonistische Abteilung 94
Böhlau Verlag Wien-Köln-Weimar 2008

Kontakt: Dr. Mehrle, pdgmehrle@t-online.de , Tel 07661/980080
www.boehlau.at

 

Erzdiözese Freiburg seit 1.11.2008 in Second Life präsent

12 Prozent der Katholiken der Erzdiözese Freiburg nahmen 2007 regelmäßig am Gottesdienst teil, gegenüber 20 Prozent in 1990. Nun versucht die kath. Kirche diesem Negativtrend durch die Präsenz im Internet zu entgehen. In "Second Life" steht ein Nachbau der ehrwürdigen Kirche St. Georg von der Bodenseeinsel Reichenau, der virtuell besucht werden kann: Gesprächskreise, Gebete, Fragen an ein Seelsorgerteam.
29.10.2008, www.kirche-in-virtuellen-welten.de

 

 

Energieoffensive der Erzdiözese: 4,4 Mio Euro Einsparungen 2007

Im Vergleich zum Vorjahr haben die Kirchengemeinden der Erzdiözese Freiburg im Jahr 2007 4,4 Millionen Euro weniger für Energie ausgegeben. Diese Zahlen gehen aus dem jetzt vorgelegten Energiebericht hervor. Ein Grund für den Verbrauchsrückgang ist die breit angelegte Kampagne "Energie-Offensive", die die Energieagentur Regio Freiburg fachlich betreut.

Der Energiebericht zieht eine erste Bilanz zur Energie-Offensive und zeigt auf, was zum Erfolg des bundesweit einmaligen Projekt beigetragen hat: Während in den Jahren davor immer wieder deutliche Kostensteigerungen gemeldet wurden, sind die Energiekosten für das Jahr 2007 um rund 19,4 % (4,4 Millionen Euro) zurückgegangen. Neben dem milden Winter 2006/2007 wird die Energieoffensive für den Erfolg ausgemacht. Mit dem Ziel, die ansteigenden Energiekosten zu senken, startete die Kampagne im Juli 2006. Umgesetzt wird sie gemeinsam mit kirchlichen Beauftragten und einem Netzwerk von regional tätigen Energieagenturen und freien Energieberatern. Durch die Beseitigung energetischer Schwachstellen in Gebäuden der Erzdiözese, den adäquaten Einsatz vorhandener Technik wie z.B. die richtige Einstellung der Heizungssteuerung oder die abschaltbare Steckerleiste für den Computer im Pfarrbüro, sowie Verhaltensänderungen gelang es den beteiligten Gemeinden, den Energieverbrauch zu senken. "Wir können in der Statistik deutlich erkennen, welche Gemeinden an unserer Offensive teilgenommen haben und welche nicht" erklärt Johannes Baumgartner, Leiter der Immobilien, Bau und diözesane Stiftungen im Erzbischöflichen Ordinariat. 505 Gemeinden (43 Prozent aller katholischen Kirchengemeinden) und neun Einrichtungen der Erzdiözese haben sich an der Energieoffensive beteiligt und konnten den Verbrauch zum Teil erheblich senken. Weitere Einsparungen werden für das nächste Jahr erwartet, wenn weitergehende Maßnahmen greifen und langfristig gemessen werden kann. "Besonders beeindruckt hat mich die Motivation der Energie-Beauftragten vor Ort, die sich aktiv für Energieeinsparung und Klimaschutz engagieren" sagt Udo Schoofs von der Energieagentur Regio Freiburg. "Die engagierte und strukturierte Zusammenarbeit aller Beteiligten ist der wichtigste Faktor für das gute Ergebnis der Kampagne". Der Erfolg ist für alle Beteiligte Grund, die Energieoffensive fortzusetzen: Geplant ist, weitere Kirchengemeinden zu beteiligen und Energiepotenziale zu erschließen, um den Energiebedarf dauerhaft zu senken. Weitere Informationen unter:
http://www.energieagentur-regio-freiburg.de/aktuell
http://www.ordinariat.erzbistum-freiburg.de

Energiebericht der Erzdiözese Freiburg für das Jahr 2007
Herausgeber: Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg,
Abt. VI Immobilien, Bau und diözesane Stiftungen, Schoferstr.2, 79098 Freiburg
PDF-Download unter:
http://www.energieagentur-regio-freiburg.de/aktuell/aktuell-einzelansicht/artikel/4-millionen-euro-fuer-erneuerbare-energien/7/

8.8.2008, Energieagentur


 

 

Wir kommen um ein Scientology-Verbot nicht herum

Seit 1992 leitet Ursula Caberta die Arbeitsgruppe Scientology bei der Hamburger Innenbehörde. Heute Abend um 20 Uhr spricht die 58-Jährige auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Historischen Kaufhaus am Münsterplatz über die umstrittene Organisation, zuvor hält Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach eine Begrüßungsrede. Mit Ursula Caberta sprach Frank Zimmermann.

BZ: Frau Caberta, was ist Ihre Aufgabe bei der Hamburger Innenbehörde?
Caberta: Ziel ist es, an möglichst viele interne Informationen von Scientology heranzukommen, damit eine fortlaufende Analyse über die Organisation angefertigt werden kann. Daneben machen wir Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit, und wir beraten und helfen Opfern: Angehörigen von Scientologen, Firmen und Institutionen, die mit Scientologen Probleme bekommen haben, Menschen, die sich von Scientology lösen wollen.
BZ: Worunter leiden diese Betroffenen? Oft ist von einer Gehirnwäsche die Rede.
Caberta: Wir reden nicht von "Gehirnwäsche" , sondern von "mentaler Programmierung" . Das Wesentliche ist, dass diese Menschen Schritt für Schritt komplett vom realen Leben — vom Leben außerhalb der Organisation — abgekapselt werden. Ins normale Leben zurückzukehren ist für Ausstiegswillige oft schwierig und kann sehr lange dauern.
BZ: Ist es realistisch, dass Scientology bundesweit verboten wird?
Caberta: Der Prüfauftrag für die Einleitung eines Verbotsverfahrens ist ja noch nicht sehr alt [vom Dezember 2007, die Red.]. Wenn es noch nicht reicht, sammeln wir weiter Material. Ich finde zwar, dass wir genug haben, aber ich bin ja nicht diejenige, die darüber entscheidet. Ich glaube schon, dass wir irgendwann um ein Verbot nicht herumkommen.
BZ: Was werfen Sie Scientology vor?
Caberta: Verfassungsfeindlichkeit. Sie wurde von Gerichten in Köln und Münster festgestellt, die Urteile sind sehr eindeutig und detailliert begründet. Ideologie und handelnde Mitglieder richten sich gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und stellen die Menschenrechte in Frage. Scientology maßt sich an, die einzige Gruppe zu sein, die das Recht hat, über andere zu richten. Die Gerichte sagen, dass die Gesamtlehre nicht vereinbar ist mit den Grundsätzen unserer Verfassung. Deutlicher kann man es nicht ausdrücken.
BZ: Seit einigen Jahren unternimmt Scientology große Anstrengungen, zu wachsen. Nicht nur in Berlin, auch in Freiburg wurde ein Zentrum eröffnet.
Caberta: Ja, das ist eine neue Strategie in Europa. Diese verstärkten Aktivitäten hatte Scientology in internen Schriften auch angekündigt. Los ging das 2000. Wobei die Organisation eigentlich nie aufgehört hatte mit ihren Bemühungen zu expandieren. Verbindliche Mitgliederzahlen kann ich allerdings keine nennen, an genaue Zahlen ist nicht heranzukommen.
BZ: Wie werden neue Mitglieder angeworben? Die Präsenz auf der Straße ist — zumindest in Freiburg — ausgeblieben.
Caberta: Jeder Scientologe ist verpflichtet, Mitglieder zu akquirieren. Die meisten Menschen kommen demnach über private Kontakte und weniger durch das Anreden auf der Straße zu Scientology. Durch Schulungen und Kommunikationstraining angeblich neutraler Firmen oder durch so genannte Front Groups, das sind Gruppen, bei denen man von außen nicht erkennt, das Scientology dahintersteht.
BZ: Besteht tatsächlich Gefahr für den Einzelnen?
Caberta: Ja, es besteht sowohl Gefahr für einzelne Menschen als auch für die Gesellschaft, da muss ein Mensch auch gar nicht besonders labil sein. Scientology setzt an bei den Wünschen, Träumen und Problemen der Menschen. Da lassen sich viele in einer verunsicherten Welt anlocken. Der Unterschied zu anderen Gruppierungen ist, dass Scientology eben nicht nur an das Geld der Menschen, sondern an die Menschen selbst heran will.
BZ: Welche Rolle spielen Prominente wie Tom Cruise für Scientology?
Caberta: Die Prominenten sind ein wesentlicher Faktor, sie haben ihre Aufgabe in diesem System. Jedes totalitäre System hat sich Prominente gehalten, um sein Image zu verbessern. Sie haben die Aufgabe, Scientology hoffähig zu machen und — wenn nötig — zu verharmlosen. Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass Schauspieler wie Tom Cruise oder John Travolta in einer verfassungsfeindlichen Organisation aktiv und die Türöffner dieser Organisation in Kultur und Politik sind.
4.6.2008, BZ

Vortrag von Ursula Caberta, Historisches Kaufhaus, heute um 20 Uhr, Eintritt frei; Anmeldung unter Telefon: 0761/156 480-70, Fax -79; E-Mail: kas-freiburg@kas.de 

 

Schockenhoff reiht sich in den Trend einer unseligen Machtpolitik ein 

Zu "Die Elite braucht Ethik", Johannes Adam interviewt den katholischen Moraltheologen Eberhard Schockenhoff, Kultur, 29.2.2008
Es stand nicht in der Überschrift ("Die Elite braucht Ethik" ) und ist doch für mich das Wichtigste an den Aussagen von Eberhard Schockenhoff, die Rechtfertigung militärischer Gewalt. Wie er sagt, nur zur Friedenssicherung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen. Schockenhoff ist nicht irgendwer, von dem man sagen könnte, er sei irregeleitet. Als katholischer Priester und Professor für Moraltheologie ist er vielmehr selbst Leitfigur für viele Menschen. Was ich nicht begreifen kann, ist, wie ein so und angesehener Theologe das, was der Mann aus Nazareth wollte, nach meinem Verständnis völlig auf den Kopf stellen kann. Gewiss, es gibt ein paar Bibelstellen, die man zitieren könnte, würde man beweisen wollen, dass Jesus kein Pazifist war. Aber wollen wir uns darauf berufen? In meinen Augen ist die gesamte Botschaft Jesu eine völlig andere. Das, wofür er gelebt und seinen Tod hingenommen hat, ist die Botschaft der Liebe und der Friedfertigkeit. Einer Friedfertigkeit allerdings, die schwerer, nicht etwa leichter zu leben ist als Androhung oder Ausübung von Gewalt. Dietrich Bonhoeffer hat es auf den Punkt gebracht mit seinem Wort: "Es gibt keinen Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Friede muss gewagt werden". Dafür ist es unabdingbar, dass Ziel und Mittel übereinstimmen. Und das tun sie bei Androhung oder Ausübung von Gewalt eben nicht. Uns vom Gegner die Art und Weise für das eigene Handeln aufzwingen zu lassen ("die anderen tun es doch auch" ) und damit die eigenen Werte zu verraten, ist nach meiner Überzeugung im persönlichen Leben ebenso verhängnisvoll wie im Miteinander von Menschen auf allen politischen Ebenen.

Im Klartext: Prof. Schockenhoff liefert mit der Autorität seiner Person und seiner Ämter all denen die Legitimation und quasi den Segen der katholischen Kirche, die Rüstung und Militär für normal und unterstützenswert halten. Er reiht sich damit in den Trend einer unseligen Machtpolitik ein, die wir derzeit beinahe weltweit erleben.

Demgegenüber, so fürchte ich, hatte Gandhi recht als er sinngemäß sagte, das sogenannte christliche Abendland könne kaum christlich genannt werden, denn sonst wären nicht so viele schreckliche Kriege von ihm ausgegangen. In der Welt "so wie sie ist" geben mir die vielen Menschen Ermutigung und Zuversicht, die im Geist der Bergpredigt auch gegen den Strom zu leben versuchen, wie zum Beispiel die Quäker oder die Menschen im Netzwerk Friedenssteuer, die sich weigern, mit ihren Steuern ungefragt zu Rüstung und Militär und damit potenziell zum Töten beizutragen statt dazu, Leben ohne Gewalt zu bewahren und zu fördern.
BZ-Leserbrief vom 22.3.2008 von Dr. Klaus Martin Voigt, Merzhausen

 

Kirche und Staat in Türkei wie Deutschland nicht klar getrennt 

"In der Türkei wacht der Staat darüber, wie die Religion ausgelegt und ausgeübt wird. Säkularismus im westeuropäischen Sinne ist das nicht, denn hier sind Staat und Religion klar getrennt." Auf der Internetseite www.spart-euch-die-kirche.de kann man sich ein Bild davon machen, dass es bei uns eben keine klare Trennung von Staat und Kirche gibt. Ein kaum durchschaubares, von der Kirche sorgsam abgeschirmtes finanzielle Geflecht zwischen Staat und Kirche sollte eigentlich jeder Abgeordneten in Land- oder Bundestag auf den Plan rufen. Wer aus der Kirche austreten möchte, kann dies nur bei einem staatlichen Amt mit dem Entrichten einer staatlich festgesetzten Gebühr. Die Kirchensteuer wird ebenfalls durch den Staat eingetrieben.
BZ-Leserbief vom 29.2.2008 von Johannes Smeets, Efringen-Kirchen

 

Eugen Biser 90 Jahre: Sein Gott ist keiner, der den Menschen droht 

Eugen Biser, bedeutender Theologe und Religionsphilosoph vom Kaiserstuhl, wird morgen 90 Jahre alt

Den Gott gebe es gar nicht, der den Menschen ständig Angst macht und ihnen mit Sündenstrafen, Fegefeuer und Hölle droht, wenn sie nicht parieren: Diesen Widerspruch zur Lehre der Kirchen formuliert nicht ein Agnostiker oder gar ein Atheist, sondern Eugen Biser, einer der profiliertesten, meistgehörten und -gelesenen katholischen Theologen. Denn der international anerkannte Religionsphilosoph hält Jesus gerade deshalb für den größten Revolutionär der Weltgeschichte, weil der Mann aus Nazareth das vielfach tradierte Gottesbild eines strafenden, ja rächenden Richters überwunden und den Menschen einen bedingungslos liebenden Gott gezeichnet habe. Eugen Biser feiert morgen in München seinen 90. Geburtstag.
Der Tenor seiner fast 150 Bücher und zahllosen Aufsätze ist geprägt von Werken wie "Jesus. Sein Lebensweg in neuem Licht" oder "Die Überwindung der Lebensangst — Wege zu einem befreiten Gottesbild" . Bisers revolutionäre, für die Zukunft der Kirchen wegweisende Theologie soll den Menschen helfen, Jesus und damit Gott für ihr Leben angstfrei neu zu entdecken. Mit einer Kirche, die die Lebensweisheit der Zehn Gebote nicht länger mit erhobenem Zeigefinger auf ein permanent misstrauisches "Du sollst nicht" und "Du darfst nicht" mit entsprechenden Strafandrohungen reduziert.
Das Evangelium ist für Eugen Biser ganz im altgriechischen Wortsinn eine stets frohe Botschaft. Nur ein Glaube, der Freude mache, gebe den Menschen die Kraft, ihre täglichen Probleme zu bewältigen. Das Christentum so radikal neu zu sehen und als befreiend verstehen: Das zu lehren hat dem stets leisen, aber immer druckreif redenden und predigenden kleinen Mann eine riesige Gemeinde an Freunden und Bewunderern eingebracht.
Eugen Biser kam am Dreikönigstag 1918 als Sohn eines Lehrers in Oberbergen im Kaiserstuhl zur Welt. Im Zweiten Weltkrieg in Russland schwer verwundet, schloss er sein 1938 begonnenes Theologiestudium 1946 in Freiburg ab. Der Priesterweihe noch im selben Jahr folgten fast 20 Jahre als Seelsorger und Religionslehrer. Diese Erfahrung pastoraler Praxis hat er ausschließlich theoretisierenden Theologen voraus. Gleich zwei Promotionen — 1956 in Theologie und 1961 in Philosophie — sowie seine Heidelberger Habilitation 1965 ebneten ihm dann den Weg zur Universität.

Biser lehrte in Passau, folgte 1969 dem Ruf nach Würzburg. 1974 adelte ihn die Ludwig-Maximilian-Universität in München, als sie ihm die Nachfolge des renommierten Jesuiten Karl Rahner auf dem sogenannten Guardini-Lehrstuhl für christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie anvertraute. Romano Guardini, 1885 in Verona geboren und 1968 in München gestorben, gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der katholischen Lehre im 20. Jahrhundert. Zwölf Jahre lehrte Eugen Biser auf dieser herausgehobenen Position in München. Sein Nachfolger wurde der — wie sein Vorgänger Rahner in Freiburg geborene — Politikwissenschaftler und langjährige bayerische Kultusminister Hans Maier. Auch nach seiner Emeritierung blieb Bisers bewundernswerte Schaffenskraft bis ins hohe Alter erhalten. Fast 20 Jahre leitete er das von ihm in München initiierte Seniorenstudium. Und fast 30 Jahre machten seine Predigten die Sonntag abendmessen in der Universitätskirche zu den bestbesuchten Gottesdiensten in München. Seine Sendereihen im Bildungsfernsehen "Bayern alpha" brachten Biser ein zusätzliches Auditorium. "Sie sind" , so attestiert der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch dem vielfach dekorierten Jubilar aus seiner Diözese, "für unzählige Menschen zum Wegbereiter und Wegweiser zu Jesus Christus geworden. Ihr Forschen und Fragen, Ihr Lehren und Schreiben und nicht zuletzt das Zeugnis Ihres Lebens haben in großartiger Weise Frucht getragen." Eugen Bisers visionäre und innovative Kraft reiche weit über den christlichen Raum hinaus und gewinne für die Menschen und die Gesellschaft grundsätzliche Bedeutung, bilanziert auch die "Eugen-Biser-Stiftung für Dialog aus christlichem Ursprung" . Sie soll sein Wirken und sein Werk dauerhaft sichern.
Gerhard Kiefer , 5.1.2008, www.badische-zeitung.de

Krasse Unlogik
"Den Gott gebe es gar nicht, der den Menschen ständig Angst macht und ihnen mit Sündenstrafen, Fegefeuer und Hölle droht, wenn sie nicht parieren: Diesen Widerspruch zur Lehre der Kirchen formuliert (& ) Eugen Biser (& )" , schreibt Kiefer. Von welchen Kirchen wird hier gesprochen? Wenn die ersten beiden Sätze dieses Beitrags stimmten, wäre der Artikel ein einziger Widerspruch, dann würde nicht nur Biser selbst, sondern alle aufgezählten bedeutenden Theologen des 20. Jahrhunderts im Widerspruch zur Lehre der Kirche stehen, einschließlich unseres Erzbischofs, der ja Biser ausdrücklich zum 90. Geburtstag und zum Zeugnis seines Lebens gratuliert! Dass es Lehre der Kirchen sei, einen angstmachenden Gott, Sündenängste und Angst vor der Hölle zu verkündigen, wie der erste Satz des obigen Beitrags suggeriert, ein solcher Unsinn ist mir schon lange nicht mehr begegnet. Immerhin ist das höchste, was die Bibel und die christliche Lehre von Gott zu sagen weiß, dass er die absolute Liebe sei. Ich selbst bin als katholische Theologin weder in meinem Studium vor gut 40 Jahren noch seither in einer Predigt oder Kirche solchen Aussagen begegnet. Warum muss also zuerst ein negativer Popanz aufgebaut werden? Ist das, was die Kirche(n) wirklich lehren, so unbekannt, dass man den Lesern und Leserinnen so krasse Unlogik zumutet?
BZ-Leserbrief vom 11.1.2008 von Prof. Dr. Helen Schüngel-Straumann, Münstertal


 

Eugen Biser: Theologe von internationalem Rang

Vogtsburg-Oberbergen/München (kna/gz). Der bekannte Religionsphilosoph Professor Eugen Biser, der aus Oberbergen stammt und in München lebt, wird morgen, Sonntag, 6. Januar, 90 Jahre alt. Gefeiert wird eine Woche später in München im Kreis vieler bedeutender Persönlichkeiten. Auch Vogtsburgs Bürgermeister Gabriel Schweizer wird nach München reisen, um die Glückwünsche der Stadt zu überbringen.

Bisers Name hat magische Anziehungskraft: Wie vielleicht sonst nur Hans Küng hat der Münchner Religionsphilosoph und Theologe Zuhörer, Freunde und Bewunderer bis in höchste Kreise. Wenn er am 12. Januar nach München zu einer Feier einlädt, sprechen ein Universitätspräsident, zwei amtierende Ministerpräsidenten und ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter Grußworte. Und die Festrede hält ein Altbundeskanzler. Biser ist eine singuläre Erscheinung in der deutschen Theologie. Die Publikationsliste des kleingewachsenen Mannes mit der hohen Stirn und der großen Brille umfasst allein rund 150 Buchtitel, aber Schüler im engeren Sinn hat er keine hervorgebracht. Das liegt daran, dass sein nach Romano Guardini benannter Lehrstuhl, den er von 1974 bis 1986 in München innehatte, der philosophischen Fakultät zugeordnet war. Theologen konnten deswegen bei ihm weder promovieren noch habilitieren.

Bisers Anziehungskraft beruht nicht zuletzt auf seiner originellen Zeitdiagnose. Die Ursache der gegenwärtigen Glaubenskrise sieht er nicht in der atheistischen Leugnung Gottes, sondern in der Angst. Das Christentum ist ihm kein System geoffenbarter und zu glaubender Lehren, auch keine moralische, sondern eine therapeutische und mystische Religion. Der Wissenschaftler hält Jesus für den "größten Revolutionär der Religionsgeschichte" . Dessen Großtat habe darin bestanden, dass er "den Schatten des Angst- und Schreckenerregenden aus dem Gottesbild der Menschheit tilgte und das Antlitz des bedingungslos liebenden Vaters enthüllte" . Beängstigend erscheint dagegen die rastlose Produktivität des hochbetagten Badeners, der in Oberbergen geboren ist, wo auch die Schule nach ihm benannt ist. Sein viertes Jesusbuch erschien 2007, die Druckfahnen für das fünfte, in dem er noch einmal einen anderen Zugang wählt, sind fertig. Dabei war ihm die akademische Karriere nicht in die Wiege gelegt. Der Lehrersohn wuchs in der Zwischenkriegszeit auf. Wie Joseph Ratzinger erlebte er die Kirche in der Nazizeit als eine "Zitadelle der Geborgenheit" . Sein Theologiestudium unterbrach der Krieg. Während des Russlandfeldzugs wurde Biser schwer verwundet. Sein Leben hing am seidenen Faden. Nach der Priesterweihe 1946 im zerstörten Freiburg arbeitete der junge Seelsorger heimlich nachts an Promotionen über zwei Persönlichkeiten, die konträrer kaum sein könnten: die Dichterin Gertrud von le Fort und der Philosoph Friedrich Nietzsche. Eine erste Doktorarbeit in Moraltheologie wurde abgelehnt. Es sah alles andere als nach einer Universitätslaufbahn aus. Doch nach 20 Jahren als Kaplan und Religionslehrer in Heidelberg gelang 1965 die Habilitation. Es folgte ein Ruf nach Passau. Über Bochum, Marburg, Saarbrücken und Würzburg führte Bisers Weg nach München, wo er in die Fußstapfen Guardinis und Karl Rahners trat. Bis in die jüngste Zeit hat es der stets bescheiden auftretende Professor verstanden, in Vorträgen sein Publikum zu fesseln. Einmal im Jahr kommt er auch an den Kaiserstuhl, um in Vogtsburg seine Sicht der Dinge zu erzählen.

In Dialogen mit dem ihm spät zum geistigen Ziehsohn gewordenen Philosophen und Theologen Richard Heinzmann legte er noch vor wenigen Jahren für ein Fernsehpublikum dar, was es mit der Auferstehung, der Gottessohnschaft und den Wundern Jesu auf sich hat. Doch seit einigen Monaten fordert das Alter seinen Tribut. Die Vorlesungen im Rahmen des Seniorenstudiums hat Biser abgegeben. Besucher empfängt er nur noch, wie es die nachlassende Kraft zulässt. Eine nach Biser benannte Stiftung wird sein Werk weiterführen. Ihr Programm lautet "Dialog aus christlichem Ursprung" . Dazu gehören auch eine Reihe ehrgeiziger Projekte. Mit fortschrittlichen Islam-Theologen aus Ankara wurde ein Erfahrungsaustausch initiiert, zu dessen Zielen auch die Herausgabe eines christlich-muslimischen Lexikons zentraler Begriffe in mehreren Sprachen gehört. Engagiert begleitet die Stiftung außerdem die Bemühungen in Deutschland zur Einführung eines regulären muslimischen Religionsunterrichts. Im Sommer 2006 hatte es sich Biser nicht nehmen lassen, in Oberbergen sein diamantenes Priesterjubiläum mit hochkarätigen Persönlichkeiten zu feiern.
kna, 5.1.2008

 

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